Dass ich meine erste Kolumne und damit meine erste Liebeserklärung an einen Mann in diesem Magazin einem Toten widmen würde, war nicht abzusehn. Aber ich komme nicht umhin, es zu tun. Diese meine Zeilen werde ich nun monatlich einem Mann widmen, der mich berührt hat, mich erfreut oder mir imponiert. Er hat das alles getan.
Lieber Udo
Leider konnte ich nicht in Erfahrung bringen, ob im Himmel Schwulenmagazine aufliegen, oder ob diese eher in der Hölle gelesen werden. Aber wo Du auch immer bist, soll es Dir gut ergehen.
So wie es mir gut erging, kaum hatte ich Deine Lieder für mich entdeckt. Damals war ich zwölf und ein trauriges Mädchen, das kaum Freunde hatte. Dafür einen braunen abgestorbenen Schaufelzahn, der ungezähmt abstand, und als einzige im Dorf getrennte Eltern. Mein Leben glich zu jener Zeit einem Spiessrutenlauf, der mich viel Anstrengung kostete. Da fand ich Dich. Meine Elternwaren keine Fans, aber es gab da diese eine Kassette: «Treibjagd». Du warst mein persönlicher Beginn und das Ende jeglichen Ansehens, dass ich allerdings auch zuvor nicht wirklich hatte. Poesiealben wurden in einem weiten Bogen um mich herum durch die ganze Klasse gereicht, man wollte lieber Michael Jackson und Madonna als Idole drin haben, als einen österreichischen Schlagerfutzi wie Dich. Sogar Modern Talking war geduldet, verstehe einer die Welt … Doch für mich ging mit Deinen Liedern eine Welt auf, von der ich zuvor nicht wusste, dass es sie gibt. Deine Texte waren wie Mantras für mich, die mich durch eine schwere Zeit retteten und die mir auch danach nie abhanden gekommen sind. Jedes Album habe ich gekauft, jedes Wort jeden Liedes in mich eingeprägt. Wo sie noch heute sind und mir den Platz für die eigene Autonummer rauben. Deine Lieder wurden Begleiter für mein Leben, und wenn man sich über das Musikalische auch streiten kann, so kann man es über die Qualität Deines Wortlauts nicht. Natürlich hast Du immer die besten Texter für dich gewinnen können, doch das Gedankengut hinter jedem Lied stammte von Dir. Du hast mich gelehrt, dass ich die Verantwortung für mein Glück trage und mich für hell oder dunkel entscheiden kann, ja muss. Du hast mir Mut gemacht und mir gezeigt, dass ich alles erreichen kann, was ich zu denken imstande bin. Du hast in mir Menschlichkeit und Visionen gesät, Mut und Übermut. Und vermutlich das wichtigste überhaupt, die Kunst, beherzt zu scheitern.
«Du hast mir Mut gemacht und mir gezeigt, dass ich alles erreichen kann, was ich zu denken imstande bin.»
Heute arbeite ich als Coach und begleite Menschen durch ihre jeweiligen Prozesse. Natürlich habe ich dafür einige Ausbildungen durchlaufen, aber das geistige Rüstzeug, das habe ich von Dir erhalten. Du hast mein Denken geformt, wie kein anderer Mensch in meinem Leben. Deine Worte sind fest verankert in mir und die Auseinandersetzung mit deinen Texten hat mir vermutlich ein Philosophiestudium erspart. Ich bin der festen Überzeugung, dass man ist, was man isst. Und in diesem Sinne habe ich mich die letzten 27 Jahre mit lebensbejahenden und dennoch kritischen Texten gefüttert, die mich mit Lebensmut und Zuversicht genährt haben. Ähnlich einem Medizinschrank habe ich ein Repertoire von etwa 400 Liedtexten in meinem Kopf und kann jeweils zücken, was mein Herz gerade braucht. Weil Deinem gesamten Werk ein Überlebenswille zugrunde liegt, von dem wir alle profitieren können. Eine unbedingte Lust am Leben, die du bis zu deinem Ende konsequent lebtest. Du bist mit Sicherheit vielen Menschen ein Idol gewesen. Die vielen Trauerbekundungen auf Facebook haben mir urplötzlich das Gefühl gegeben, von eingefleischten Fans nur so umzingelt zu sein. Für mich warst Du ein Lehrer und ein Leitbild, wie man es sich besser nicht wünschen kann als heranwachsender Mensch. Durch Dich bin ich der Kraft der Worte bewusst und nutze sie, wo immer ich kann. Auch wenn Du zu Grabe getragen wurdest, so lebst du in mir und vielen anderen Menschen weiter. Dir verdanke ich meine unbändige Liebe für das deutsche Wort und den Mut, dieses laut auszusprechen. Danke dafür.
Deine Kafi