Die weibliche Homosexualität ist peinlich – fast noch mehr als die männliche Homosexualität. Und weil sie peinlich berührt, versteckt man sie. Man macht sie unsichtbar und redet nicht – oder nur kaum – darüber.
Man liest oft Lobesreden über bedeutende homosexuelle Maler, Schriftsteller und Schauspieler. Von ihnen geht eine Faszination aus – als ob ihre sexuelle Orientierung ihrem künstlerischen Talent einen zusätzlichen Nimbus gäbe. Ein Beispiel dafür findet sich kürzlich im Interview eines Abteilungsleiters eines Unternehmens. Er schämt sich nicht, seine „Offenheit“ mit folgender Aussage zu manifestieren: „Wenn man aus der Kunst und Literatur alles wegnehmen würde, was Homosexuelle und Juden geschaffen haben, würde ein bedeutender Teil dessen fehlen, was unsere Zivilisation an Grossem und Schönen hervorgebracht hat.“ Noch nie habe ich jedoch einen Hinweis auf eine lesbische Schriftstellerin, Dichterin oder Malerin gehört.
Einen Schwulen zum Freund zu haben ist cool. Man ist hip, wenn man an Orte hingeht, wo Schwule im Ausgang sind. Das schwule Milieu steht für Party, Kreativität – es ist trendy und entspannt.
Die lesbischen Frauen hatten ihr Coming-out, aber es scheint nur vorübergehend gewesen zu sein. Sie sind wieder auf dem Rückzug: Sie geben sich betont feminin, um ja nicht männlich zu wirken. Auch die Fussballerinnen tun dies, um jegliches Klischee zu vermeiden – sie kicken den Ball mit perfekt gestylter Frisur. Wie viel Zeit benötigen sie wohl, um ihre langen Haare zu frisieren, damit sie ja wie wirkliche Frauen aussehen …
Auch in der homosexuellen „Community“ hat man den Eindruck, dass jegliche Unterschiede unbedingt ausradiert werden müssen. Man hat sich verabschiedet von den allzu feministischen oder antikonformistischen Slogans, man ist nicht mehr gegen die Ehe. Heute ist man für eine Hochzeit in Weiss, um den schönsten Tag im Leben einer Frau zu feiern – und für ein tolles Auto und ein schönes Haus, in dem die zukünftige Familie ein Zuhause hat und die glücklichen Schwiegereltern zu Besuch kommen. Es ist, als ob man zur Normalität zurückkehren würde, indem man mit der homogenen Masse verschmilzt.
Schimpfwörter wie „dreckige Lesbe“, die manchmal auf dem Schulhausplatz benützt werden, überhört man geflissentlich. Später, in der Arbeitswelt, sind es die schrägen Blicke und die herabsetzenden Bemerkungen, die hinter vorgehaltener Hand gemacht werden. Oder es sind Aussagen wie: Du bist zu schön, um lesbisch zu sein; du bist zu hässlich, um einen Mann zu bekommen; du hast noch nicht den Richtigen getroffen. Oder wenn es darum geht, schwere Gegenstände zu tragen oder ein Möbel zu transportieren, hört man oft: „Wenn du schon Mann spielen willst, dann steh auch dazu.“
Lesbophobie ist all das – von der Offenlegung bis hin zu Beleidigungen. Sie findet in der Gesellschaft, aber auch in der homosexuellen Gemeinschaft statt. Und weil es schwierig ist, sich ihr zu stellen, kapseln sich die Opfer von Lesbenfeindlichkeit oft ab. Sie verstecken sich noch mehr, und schliesslich diskriminieren sie sich selbst. Es gibt nichts Diskriminierendes, als die eigene Identität, die Beziehung oder die eigenen Gefühle zu leugnen. Es gibt nichts, was mehr entwürdigt, als seine Familie, seine Nächsten, seine Arbeitskollegen zu belügen, weil man sich vor ihrer Reaktion fürchtet.
Dieser Text ist als Medienmitteilung im Rahmen des IDAHOT erschienen. Weitere Infos auf der Webseite der Lesbenorganisation Schweiz (LOS).