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Kolumne: Warum Mirko nicht über die LGBT* Rechte diskutieren will


Das blöde Gefühl im Bauch – nicht nur vom Essen

Mirko verbrachte den Jahreswechsel mit seiner Familie und erzählt von Bubbles und vom Real Life.

Jetzt bin ich schon ein halbes Jahr do mit minere Story. Äbe, ich wohne in Dietikon, bin also ein Scheiss-Agglo. Und davon will ich nun was erzählen, von der Bubble und vom Real Life. Meine Eltern kamen aus Kroatien damals und mein Vater war der Jugo mit dem Trainingsanzug, über den ihr Witz gmacht händ. Ja, ich wohne immer noch bei meinen Eltern und in den letzten Wochen kam unsere Familie häufiger zusammen. Wir hatten noch Besuch aus Kroatien und es gab viel zu viel zu essen, Pasticada, Sarma und Fritule bis zum Abwinken. Es wird ja in den Tagen vor allem gekocht und gegessen. Und viel geredet – über die Hungerlöhne da in den Fabriken, wo deine Klamotten genäht werden in Kroatien, und nicht nur die billigen, auch die ganz teuren, auch die mit dem roten Faden am Anzug. Da ging’s so drum, während wir uns die Bäuche vollschlugen. Schon krass. Verstohsch, warum ich denn nöd über LGBT-Rechte diskutieren wött? Irgendwie chunnt zerscht s Ässe und denn irgendwenn alles anderi. Oder die Wärme halt, wenn ich höre, dass meinen Leuten da in der Kälte vielleicht dann doch bald der Strom abgestellt wird, weil sie mit den Zahlungen hintendrein sind. Ok, grad so in diesen Tagen bei uns liessen wir es uns gut gehen. Wenn ich so denke, wie meine Eltern damals in den 90ern hierher gekommen sind, haben wir’s ja in der Schweiz sauber hingekriegt.

Aber so ganz waren unsere Verwandten in den Tagen nicht bei uns, denn ihri Wält isch definitiv kei Ponyhof. Weisch, ich sass da, auf dem Tisch das Weihnachtslicht mit dem frischen, grünen Weizen darumhin, den meine Mutter am Barbaratag eingelegt hatte, und dachte: Kroatien isch grad da um de Egge, aber die Probleme sind schon anders. Irgendwie ein blödes Gefühl im Bauch und das nicht nur, weil das Essen einfach zu lecker und zu viel war. Meine Leute da überlegen sich nicht, ob sie gendergerecht schreiben, mit Stärnli oder Underline oder beidem kombiniert mit em grosse I au no grad dezwüsche. Die überlegen sich nur, ob sie den Strom für den nächsten Monat noch bezahlen können, während sie vom Morge, wenn’s no dunkel isch bis am Obig, wenn’s au scho wieder Nacht isch, die Anzüge mit dem roten Faden nähen – Made in EU, merksch öppis?

Paaah, grad e bitz e Bombe so Aafang Johr, he. Aber ich ha’s ja damals scho gschriibe im September, ich bin froh, dass ich noch am Real Life beteiligt bin, nicht Teil der Bubble bin. Das bringt mich weiter. Von einer anderen Bubble konnte ich meine Augen kaum losreissen. Wow. Min Cousin han i scho länger nüm gseh. What a bubble ass. Ach, vergiss es. Das isch Family.

Ich kann ja switchen. Ich habe die Familie mit allem drum und dran, was ich geil finde. Ich hab meine Arbeit, de Chole, damit ich mir ab und zu auch Züri leisten kann ­– und Grindr liefert mir auch schön den Spass, den ich nach der Arbeit brauche. Alles beschtens greglet. Aber da kommt mir die andere Bubble wieder d’Sinn: Häsch überleit, was de Cousin macht, falls er schwul isch da in Kroatien? Hot ass und Fuessballspieler, aber wenn das nüt wird mit der Fussballkarriere, was dänn? Azüüg mit rotem Fade nähen und dann die Stromrechnung nicht bezahlen können. D’Homoehe hends jo scho mol verbote, z’Kroatie. Bi üs hend 80% vo de Zürcher nein gesagt zu sonem Verbot. Scho andersch. Und wenn’s öppis würd met de Fuessballkarriere? Wäre er dann der erste aktivi schwuli Spitzefuessballer? Oder würd er au nüt säge, so wie ich?


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