Welchen Namen sucht sich jemand aus, der sein Geschlecht wechselt? Eine Forscherin hat herausgefunden: Oft spielt die Familie bei dieser Frage eine grosse Rolle.
Daphne Hafner
Lena wirkt weiblicher als Gertrud, Sofie hört sich weiblicher an als Ruth. Genau solche Namen mit Vokalen am Ende, die sehr weich sind und besonders weiblich klingen, sind bei Transfrauen besonders beliebt - also Menschen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen männlichen Geschlecht identifizieren. Das hat die Mainzer Wissenschaftlerin Miriam Schmidt-Jüngst herausgefunden. In ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich mit der Selbstbenennung von Transgendern.
Transmänner hingegen wählten ihre Namen eher wie die Durchschnittsbevölkerung aus, sagte Schmidt-Jüngst. «Sie wählen Namen wie Christian, Johannes oder Martin und eher selten ganz weiche, feminine Namen in der Lautstruktur wie Noah und Michael.» Eine Rolle spiele auch, welche Namen in ihrer Altersgruppe beliebt sind. «Ganz vielen geht es darum: Sie wollen einen normalen Namen.»
Viele Transmenschen nähmen bei der Auswahl des Namens auch Rücksicht auf ihr Umfeld, erklärte Schmidt-Jüngst. «Die Familie ist wahnsinnig wichtig. Der Geburtsname wurde von den Eltern ausgesucht - und die haben sich etwas dabei gedacht.» Von den Müttern und Vätern werde es oft als Zurückweisung empfunden, wenn der ausgesuchte Name vom Kind nicht mehr gewollt werde. Deswegen fragten viele Transmenschen ihre Eltern, welchen Namen sie gewählt hätten, wenn bei der Geburt ein anderes Geschlecht bestimmt worden wäre.
Für die Arbeit befragte die Sprachwissenschaftlerin, die selbst mit einer Transfrau verheiratet ist, mehr als 200 Teilnehmer. Ausserdem führte sie 16 Interviews, «von Bayern bis nach Schleswig-Holstein». Ihre Arbeit entstand im Rahmen der Forschergruppe «Un/Doing Differences. Praktiken der Humandifferenzierung» der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Wichtig für Transfrauen und Transmänner sei auch der Zeitpunkt des Namenswechsels. Wenn jemand den neuen Namen bekanntgebe, aber noch dem alten Geschlecht zugewiesen aussehe, mache er oder sie sich in den Augen anderer oft unglaubwürdig. Auch wer sich optisch stark verändert habe und noch den alten Namen führe, erzeuge Widersprüche. «Diesen Menschen wird nicht geglaubt.»
Schmidt-Jüngst untersuchte auch Menschen, deren Selbstverständnis ausserhalb der binären Ordnung von Mann und Frau liegt. «Diese brechen meist aus dem normalen Namens-Inventar aus», sagte sie. Sie benutzten zum Beispiel Buchstaben, etwa das englisch ausgesprochene P oder K. Auch ganz normale Wörter würden als Namen verwendet, etwa Six oder Sky, also Englisch für Sechs oder Himmel. Untergekommen seien ihr auch schon Lux sowie Pax, das ein lateinisches Wort für Frieden ist, aber auch eine römische Gottheit bezeichnet.
Die meisten der von Schmidt-Jüngst befragten Transmenschen haben ihren Namen auch gesetzlich ändern lassen oder streben das an. Einige aber verweigerten dies, weil sie das Transsexuellengesetz kritisch sähen. Darin heisst es unter anderem: Vornamen könnten nur geändert werden, wenn ein Mensch sich «dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben». Das sei eine Formulierung, die das Empfinden von Transmenschen als krankhaft darstelle, meint Schmidt-Jüngst.
Der Anteil von Transfrauen und Transmännern mit Zwei- und Drittnamen sei höher als bei der Gesamtbevölkerung, stellte die Philologin fest. «Dabei ist der Zweitname oft einer, der sehr nahe am Geburtsnamen liegt, um der Familie oder Umfeld die Umstellung leichter zu machen. Sowie als Erstname einer, der einem selber gefällt.» Wie die Situation in der Schweiz in Bezug auf Namenswahl ist, wurde bisher nicht erforscht.