Die «Karawane» hätte Migranten aus Mittelamerika auf dem beschwerlichen Weg in Richtung USA Schutz bieten sollen. Aber vor allem für LGBT*-Menschen war die Flucht noch strapaziöser.
Erschöpft steht Lin Samael Valladares Arévalo mit seinem Waschbeutel auf stillgelegten Eisenbahnschienen, die durch eine Stadt im Süden Mexikos führen. Am Vormittag ist der Honduraner mit einer Gruppe von Migranten aus Zentralamerika in dem Ort Arriaga im Bundesstaat Chiapas eingetroffen. Helfer haben neben den Schienen einen Wassertank geparkt – eine improvisierte Dusche für die 3500 bis 5000 Menschen, die in Arriaga auf ihrem Weg Richtung Norden übernachten werden.
Die Atmosphäre ist friedlich, aber Valladares Arévalo ist angespannt. Er ist schwul. In seiner Heimatstadt San Pedro Sula im Norden von Honduras kann das lebensgefährlich sein. Obwohl Honduras knapp 1.000 Kilometer entfernt liegt, sind einige der Probleme, die Valladares Arévalo hinter sich zu lassen hoffte, mitgezogen. «Das Leben in der Karawane ist schwierig, weil hier auch Menschen mitlaufen, die mich in Honduras diskriminiert haben», sagt er. Homo- und Transsexuelle würden beschimpft, manchmal auch geschlagen.
LGBT*-Menschen immer wieder Opfer von Morden
Honduras zählt zu den Ländern mit der zweithöchsten Mordrate der Welt. Einzig der Nachbarstaat El Salvador hat mehr Morde pro Einwohner zu verzeichnen. Transpersonen und Homosexuelle werden dort aufgrund ihrer Sexualität immer wieder Opfer von Gewalt. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) hat allein in den vergangenen fünf Jahren 177 Morde in diesem Zusammenhang dokumentiert. Auch Edgar Corzo Sosa von der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH weiss von dem Problem innerhalb der Migranten-Gruppe: «Das ist ein Thema, das uns auch jetzt noch beschäftigt, weil wir mitbekommen haben, dass es innerhalb der Karawane Diskriminierung gegen Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle gegeben hat und weiterhin gibt.» Eine einfache Lösung gibt es für den Konflikt nicht. Die CNDH setzt auf Aufklärungsarbeit. Mit Sozialarbeitern und Soziologen will sie in der Karawane Sensibilität für das Thema schaffen und so Respekt aufbauen, wie Corzo Sosa erklärt. Valladares Arévalo aus Honduras will sich darauf aber nicht verlassen. Auf seiner Flucht hat er sich mit ungefähr 50 anderen LGBT*-Personen zusammengeschlossen. Er hofft, dass die Gruppe ihm Schutz bieten wird – im schlimmsten Fall nicht nur vor den hässlichen Worten, die sie zugerufen bekommen. Die sogenannte Migranten-Karawane war vor mehr als zwei Monaten in San Pedro Sula in Honduras gestartet. Das Ziel der meisten Menschen war die US-Grenze, die Ankunft gestaltete sich schwierig – de Facto wurde die «Karawane» vom US-Militär zerschlagen. Sollte Valladares Arévalo dennoch sein Ziel erreichen, hat er theoretisch nicht die schlechtesten Chancen auf Asyl in den USA. Können die Menschen nachweisen, dass sie in ihren Heimatländern wegen ihrer sexuellen Orientierung bedroht und verfolgt wurden, könnte ihnen Asyl gewährt werden, wie das Transgender Law Center, die grösste amerikanische transgendergeführte Bürgerrechtsorganisation, erklärt. Noch aber ist für viele LGBT*-Menschen unklar, ob sie ihr Ziel erreichen. Und wir wissen: Selbst wenn sie es schaffen, werden sie auch in den USA oder in Europa nicht vor Diskriminierung gefeit sein.
(Mit Material der DPA)