Ein verschenktes Anliegen
«Lob der Homosexualität» - wow, denkt man, hier beschäftigt sich jemand mal von der «richtigen» Seite mit den Problemen der LGBT*-Community und vor allem der Gays. Letztendlich legt man dieses Buch aber eher sehr ernüchtert zur Seite.
Es ist nun einmal so, dass sich viele Menschen, auch die intellektuellen unter ihnen übrigens, beim Buchkauf häufig von zwei Faktoren beeinflussen lassen: Der eine sind die möglicherweise vorab gelesenen Pressemitteilungen und der andere sind – so banal das jeweils auch ist – die Buchcover. Wie oft ertappt man sich dabei, nach einem Buch zu greifen, weil einen das Umschlagbild auf irgendeine Weise (positiv) reizt. Bei diesem Sachbuch von Luis Alegre hingegen weiss man nicht, was sich die Grafikabteilung des renommierten Beck-Verlags dabei gedacht haben mag. Zwei stilisierte Männer in Pink und Schwarz, der eine davon noch mit einem klischeehaften Moustache versehen, scheinen sich... ja, was: zu umarmen, auf die Schultern zu klopfen, gleich zu küssen? So steht der eben erwähnte Schnauzbart sinnbildlich für das gesamte Cover – und letztendlich leider auch für den Inhalt dieses Sachbuchs.
Der spanische Philosophieprofessor Luis Alegre, geboren 1977 in Madrid, hat es sich, glaubt man dem Titel, zum Ziel gesetzt, ein Lob auf die Homosexualität zu schreiben. Ein überaus ehrenwertes Vorhaben in Zeiten von Verunglimpfungen, Anfeindungen und Hate Crimes. Das Vorwort macht dann auch Lust aufs Weiterlesen, beginnt Alegre doch mit einem Appell an seine Leser*, ihm Stellen zu nennen, an denen er sich nicht genderneutral ausgedrückt habe. Man denkt, da hat sich jemand Gedanken gemacht und bringt endlich auch einmal die Unsicherheit zur Sprache, denen sich jede*r Schreibende tagtäglich ausgesetzt fühlt. Schlägt man dann aber das Buch an irgendeiner x-beliebigen Stelle auf, muss man leider feststellen, dass sich jemand hier überhaupt nicht bemüht hat, irgendetwas neutral und genderausgewogen zu formulieren, da wird immer munter die eindeutig das Geschlecht festlegende Variante gewählt, so etwas wie das Gendersternchen sucht man hier vollkommen vergebens.
Klischees werden als Wahrheiten verkauft
Was sich sprachlich andeutet, manifestiert sich inhaltlich auf eklatante Art und Weise: Wir haben es hier mit einer Abfolge von Klischees zu tun, die sich unter dem Deckmantel des Positiven verstecken, als ob der Leser zu dumm wäre, sie dann nicht zu erkennen. Zum einen werden althergebrachte Platitüden als Weltneuheiten verkündet, als ob man mittlerweile nicht hinlänglich wisse, dass Sprache verbale Schubladen hervorbringe. Darüber könnte man eventuell noch hinwegsehen nach dem Motto, das Buch wendet sich auch an Gendereinsteiger*, die vielleicht zunächst einmal Grundsätzliches erfahren wollen. Daneben läuft Alegre aber quasi zur Hochform im Aufstellen höchst fragwürdiger Thesen auf, deren Erklärungen mehr als zum Haareraufen sind. So sei ein Grund dafür, warum Homosexuelle die Welt zu einem besseren Ort machten, dass sie Identitäten mässigten, weil nämlich Homosexuelle per se toleranter seien. So platt und sofort widerlegbar hat man das kaum noch irgendwo gelesen.
Ein Buch also, dessen positivste Wirkung noch ist, Reibung und Widerrede zu erzeugen.