Als Fernsehzuschauer ist man oftmals von der heilen Welt hinter den Fernsehkulissen überzeugt. Haymo Empl zeichnet in seinem Krimi "Tödliche Intrigen" ein ganz anderes Bild.
Ungefähr zwanzig Jahre ist es her, seit Haymo Empl mit seinen Krimis, allen voran «Milzbrand», für Furore sorgte. Nun erscheint mit «Tödliche Intrigen» ein neuer Zürich-Krimi im Diversum Verlag. Obwohl, hier muss man gerade schon ein wenig korrigieren, denn die Handlung spielt auch zum Teil in Zug und im grenznahen Kaff Löhningen, die Protagonisten legen vor dem spektakulären Finale in Oerlikon einiges an Kilometern zurück.
Ich habe ja das Glück, dass der Autor quasi neben mir sitzt und so habe ich die Gelegenheit natürlich dazu genutzt nachzufragen, wie es nach so langer Zeit zu einem neuen Roman gekommen ist. Empl lehnt sich entspannt auf dem schwarzen Ledersofa zurück und nimmt einen tiefen Schluck Cold Brew Kaffee. «Ich habe immer wieder Lust gehabt, einen neuen Roman zu schreiben. Vor 20 Jahren war der Hype um meine Bücher gross, ich hatte viele Lesungen und war plötzlich ‹im› Literaturbetrieb. Ich realisierte seinerzeit, wie unglaublich ernst sich diese Branche nahm, wie wichtig sich alle fühlten und entsprechend benahmen. Meine Bücher waren Überraschungserfolge und ich hatte keine Ahnung, was der Erfolg an Verpflichtungen im Literaturbetrieb bedeutete. Plötzlich war ich in deutschen Talkshows mit meinen Büchern eingeladen und musste andere Bücher kritisch rezensieren, das war einfach zu viel in so jungen Jahren. Damals arbeitete ich zudem als TV-Moderator bei Star TV und war für eine Filmsendung verantwortlich, ich stand also schon genug im Rampenlicht. Dass ich nun auch wegen der Bücher zusätzliche Auftritte absolvierten musste, passte mir nicht und endete letztendlich in Überforderung. Es war zu viel zu schnell zu heftig. Mittlerweile weiss ich, wie damit umzugehen ist und freue mich auf das, was da noch kommt. Man könnte sagen: Das Alter hat mich gelassener und souveräner gemacht.»
Während sich «Milzbrand» und auch «Belladonna» vor allem im Zürcher Kreis fünf abspielten, haben wir hier nun also diverse Schauplätze. Dies hängt auch damit zusammen, dass mit dem Trio Tia Adam, Tim Stein und Tarek Alfarsi (immer wieder die drei «T» genannt) verschiedene Orte verknüpft werden. Während Tia Adam, die Fernsehköchin ohne Geschmackssinn, unweit der ETH beheimatet ist, wohnt Tarek als Mensch mit Migrationshintergrund typisch in der Agglo, nämlich in Dübendorf. Und Tim Stein - der Hellseher, der zwar bauchreden, aber sicher nicht hellsehen kann - hat sein Büro in Zug installiert, wohnhaft ist er hingegen in Adliswil, womit man eine Zürich-typische Konstellation vorfindet, denn spätestens nach den letzten Mietpreisexplosionen kann sich wohl kaum ein «normaler» Mensch mehr eine Wohnung in der Zwingli-Stadt leisten.
Vielfältiges Mediengeschehen
Viel wichtiger als die Wohnorte sind aber die Berufe der Protagonisten, denn hier taucht Empl in eine Welt ein, die kaum ein anderer besser kennt als er: die der Medien. Wie im Gespräch erwähnt, hat Empl selbst lange Zeit u. a. für Star TV gearbeitet und so am eigenen Leib erfahren, wie brutal diese Szene ist. Den Lesern bietet er nun im Roman nahezu alle Seiten des heutigen Medienschaffens: Vom analogen Staatsfernsehen mit Productplacing und Werbung hin zu Teleshopping und Lebensberatung via TV. Wenn man diese Reihung hört, fragt man sich schnell, wie denn das zusammenpassen kann. Genau darin liegt ein Themenschwerpunkt, denn die Leser*innen merken schnell, dass hier nicht nur Medienwelten aufeinandertreffen, nein, es sind auch Lebens- bzw. Generationenwelten, die scheinbar wenig kompatibel aufeinanderprallen.
Tia als langjährige Fernsehköchin beim SRF liebt ihr Publikum, das sie nahezu bis auf die kleinste Lebensgewohnheit beschreiben kann (Alter, Vorlieben, Bildungsstand inklusive). Das reicht heutzutage aber nicht mehr, um Zuschauerzahlen im angemessenen Rahmen zu generieren, weswegen ihr der Sender einen Social-Media-Experten, eben den jungen Tarek, zur Seite stellt, der ein wenig Schwung in ihr nicht vorhandenes Medienprofil bringen soll. Denn selbst ein Staatssender kann es sich nicht leisten, dass einer Sendung die Zuschauer nach und nach wegsterben – im wahrsten Sinne des Wortes. Man merkt, wie schwer sich Tia tut, diese neue Seite ihrer Tätigkeit zu akzeptieren («Wie, Du filmst mich jetzt beim Pasta-Kochen, wen soll das denn interessieren?»), und als Leser*in weiss man, dass Tia diesbezüglich nicht die Einzige ist, sondern dass hier ein Generationenumbruch stattfindet.
Die andere Seite der bunten Medienwelt ist noch ein wenig schräger und bunter, aber auch oberflächlicher und moralisch fragwürdiger. Denn da haben wir Tim Stein, den Dritten im Bunde, der sich als Hellseher zu später Stunden im Privatfernsehen verdingt. Deutlich wird hier, dass die Hilfesuchenden oftmals finanziell ausgenommen werden und ihnen nicht viel mehr gesagt wird als das, was ihnen auch ein guter Freund hätte sagen können. Ganz schön bitter und sicherlich auch fragwürdig.
Und dann natürlich die Versprechungen im typischen Teleshopping-Format, hier präsentiert von Dana Zwergner, einer One-Hit-Wonder-Ruine, die immer noch und immer wieder auf einen Restart ihrer Karriere hofft und sich solange mit der Vermarktung unnützer Produkte via TV über Wasser hält.
Diese ganzen Fäden werden von Empl geschickt zu einem weiten Netz an (tödlichen) Intrigen und unlauteren Machenschaften gespannt. Das Ganze ist dabei angelehnt an eine antike Heldenreise, in der die Figuren auch jeweils Höhen und Tiefen (zunächst mehr Tiefen) erleben, um abschliessend gestärkt aus der ganzen Situation hervorzugehen. Die Stärkung erfahren die drei vor allem in ihrer entstehenden Freundschaft, so werden sie von Einzelkämpfern zu einem Team, in dem der eine die Sorgen des anderen mitträgt. Etwas, was in der heutigen Gesellschaft sicher keine Selbstverständlichkeit ist, weswegen die drei zunächst auch gar nicht ganz begreifen, was mit ihnen geschieht.
Trash und Ironie unterhalten die Leser
Trotzdem muss der Leser nun keine Angst vor zu viel Ernsthaftigkeit haben, denn dass vieles nicht ganz ernst genommen wird, merkt man schnell. Das beginnt mit Tias «Sieben-Bohnen-Salat» (wer um Himmels Willen kann aus dem Stegreif mehr als vier Bohnensorten aufzählen, ohne zu stottern?) und endet noch lange nicht mit allfälligen Verweisen auf Trash-Fernsehserien wie «The Rookie».
Eines fällt den Kenner der Empl’schen Romane allerdings sofort auf: Dieses Mal wird nahezu vollkommen auf jegliche Schwulerei verzichtet, etwas, dass in den früheren Romanen eine fast tragende Säule war. Empl erklärt hierzu: «Ich wurde mit meinen Büchern damals schnell in die ‹schwule Ecke› gedrängt – vor 20 Jahren dachte man noch mehr in Schubladen. Etwas überspitzt formuliert: Es gab irgendwas mit Frauen und dann eben noch mich – also hat man die Kategorie ‹lustige Schwule› geschaffen. Das ging dann so weit, dass mir Leserinnen und Leser beinahe entschuldigend sagten, sie hätten das Buch gelesen, auch wenn sie nicht schwul / lesbisch seien. Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, ob für meine Protagonisten Sexualität wichtig ist und damit auch für die Geschichte, die sie erzählen. Da die drei aber alle gerade mit sehr vielen anderen Dingen beschäftigt sind, haben sie gar keine Zeit, sich nach Partnern umzuschauen und daher ist ihre Sexualität – wenigstens in Band 1 – nicht relevant.» Wir sind gespannt, wie es wird, wenn die drei irgendwann einmal eine ruhige Phase durchleben und dann zu durch und durch sexualisierten Wesen werden, also zum Gegenteil von Jessica Fletcher aus «Mord ist ihr Hobby», eine Serie, die ja offenbar einen grossen Eindruck im Empl’schen Universum hinterlassen hat. Empl grinst und zückt fast schon die Fernbedienung, um grad eine Folge abzuspielen. Damit es dazu nicht kommt, frage ich schnell nach den weiteren Plänen in Bezug auf die Schreiberei und kann somit Schlimmeres verhindern, denn Empl antwortet subito: « Ich hatte das grosse Glück, dass mein Verlag von Anfang an mehrere Bände geplant hat, es sollen mindestens vier Bücher folgen. Das freut mich, denn so kann ich gewisse Handlungsfäden fortsetzen. Band 1 liegt an den Valora Kiosken auf, ist bei Ex Libris, bei Lüthy / Balmer und vielen anderen Buchhandlungen relativ prominent gelistet. Ich habe und hatte also grosses Glück an Menschen zu geraten, die an das Buch glauben und daher blicke ich in diesem Punkt freudig in die (Buch)Zukunft.»
Das tun die hoffentlich zahlreichen Leser*innen sicherlich auch.
Haymo Empl
Tödliche Intrigen – Tia Adam ermittelt
Diversum Verlag, 360 Seiten, ca. CHF 19.90
In allen Buchhandlungen und Valora Kiosken erhältlich oder direkt hier
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