Künstler*innen der LGBT*-Community sind immer noch erstaunlich unterrepräsentiert, wenn man sich Festivals oder journalistischen Content anschaut. Jetzt aber gibt es BOUYGERHL.
Von Birgit Kawohl
Zacker, ein umtriebiger Leipziger, der sich in Deutschland bereits lange seinen Namen unter anderem durch Veranstaltungen wie das (queere) Zacker Music Festival gemacht hat, ist der Initiator von BOYGERHL, dem ersten Archiv für queere Musik, das seit Ende Mai online ist.
Hier findet man derzeit Kurzportraits und verlinkte Videos von etwa 700 Acts aus der LGBT*-Community, Tendenz quasi täglich steigend. Hinzu kommen Interviews mit Künstler*innen, aber auch Infos wie Neuerscheinungen und Tourdaten etc.
Aber braucht es überhaupt solch eine Datenbank? Grundsätzlich kann man sich ja fragen, ob eine Hervorhebung der sexuellen Vorlieben nicht eher kontraproduktiv ist und genau das «Anderssein» so in den Fokus rückt. Zacker selbst ist da anderer Meinung. Ihm geht es um Bewusstseinsschärfung. Mit dem Archiv will er LGBT*-Künstler*innnen sichtbar machen, ihnen eine Plattform geben und damit gesellschaftliche Selbstverständlichkeit kreieren.
Andererseits kann man aber dagegenhalten, dass solche Archive sowieso nur von weltoffenen, interessierten Menschen gesucht und gefunden werden, die wiederum haben mit der Akzeptanz von Queers aber in den seltensten Fällen Probleme. Trägt man damit nicht vielleicht nur Wasser an den See, um die alten Eulen einmal nicht nach Athen bringen zu müssen.
Allerdings findet man in BOUYGEHRL viel mehr als die Mainstream-Acts, die sowieso jede*r kennt und die man daher auch gezielt suchen (und finden) kann. Hier kann man vielmehr wunderbar an einem verregneten Nachmittag oder einem lauen Sommerabend auf Entdeckungsreise gehen. Denn das ist das Tolle, die Künstler*innen, die hier gelistet sind, müssen sich zwar irgendwann man als queer benannt haben (bei Bands muss das übrigens nicht auf alle Mitglieder*innen zutreffen), ansonsten ist der Musik aber keine Grenze gesetzt: egal ob Schlager oder Heavy Metal, Punk oder Techno, hier ist jeder willkommen. Es gibt auch keinen vorherigen «Qualitätscheck», denn jede*r hört Musik anders und nimmt sie anders war.
Die Sortierung erfolgt alphabetisch und so kann man sich durchs komplette Archiv klicken oder bei einem geselligen Abend ein Ratespiel kreieren, selbst Musikexperten werden hier einiges bisher Ungehörte auf die Ohren bekommen.
Bleibt noch die Frage nach dem Namen: BOUYGEHRL? Was ist das? Ein Akronym? Nein, der Name geht zurück auf zwei Songs der Musikerin Anohni (gleich mal im Archiv suchen, finden, reinhören und begeistert sein), die mit diesem Kunstwort in der Genderdebatte einen ganz neuen Akzent setzt. Warum nicht mal lautmalerisch mit Worten spielen, Neues entstehen lassen und so für alle (oder zumindest viele) die Möglichkeit der Zugehörigkeit schaffen.
Mit BOUYGEHRL hat die Musik in der Community jetzt jedenfalls eine super Plattform, die sicherlich den Wunsch der Macher erfüllt, für mehr Sichtbarkeit zu sorgen, oder wie es Zacker formuliert: Identität ist Realität!
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