Im Jahr 2019 verabschiedete sich Florian Burkhardt alias Electroboy von der Bühne. Jetzt ist er mit einem neuen Album zurückgekehrt. Wir haben uns zum Release von "Backstage" mit dem Künstler unterhalten.
*
Lehrer, Snowboardfahrer, Journalist – doch die meisten werden Florian Burkhardt durch und als «Electroboy» kennen. Der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm aus dem Jahr 2014 machte den Mann hinter der Kunstfigur «Electroboy» einem breiten Publikum bekannt und alle erhielten intimen Einblick in dessen Privatsphäre. Florian Burkhardt erreichte damit für sich einen Grad der Öffentlichkeit, der zur Belastung wurde. Daher entschloss er sich 2019 zum Rücktritt von der Bühne und zur Loslösung von Electroboy. Cruiser durfte damals mit ihm sprechen und auch jetzt, beim Erscheinen seines neuen Albums «Backstage», ist Florian sofort zu einem Interview bereit.
Cruiser: Du hast dich 2019 als Electroboy verabschiedet, jetzt bist du mit deinem neuen Album «Backstage» wieder zurück. Wie kommt es dazu?
Florian: Ich habe mich 2019 von Electroboy getrennt, was ich keine Sekunde bereut habe.
Aber kreativ zu sein ist mein Grundbedürfnis seit meiner Kindheit. Ich habe ab Sommer 2019
vieles sehr intensiv ausprobiert, und zwar ohne den Gedanken an eine mögliche Öffentlichkeit. Es ging darum zu schauen, was ich jetzt machen möchte, was für mich ganz
persönlich stimmig und nachhaltig sein könnte.
Innerhalb des Jahres 2020 entstanden immer mehr Songs und im Gespräch mit meiner
engsten Bezugsperson kam die Idee auf, die Musik in einem Album zu fassen und dann auch
zu teilen. Als Florian Burkhardt und in einem für mich (und auch im Vergleich zu meiner alten Öffentlichkeit) sehr persönlichen Rahmen. Begleitend mit dem Hinweis gegen aussen, dass es das Album gibt. Und was sein Hintergrund ist.
Im Cruiser-Interview zu deinem Abschied hast du gesagt: «Weiter habe ich von Natur aus nicht die Kraft, die es braucht, um gesund grössere Projekte und die nötige Öffentlichkeitsarbeit zu stemmen.» Wie verträgt sich dies nun mit deinem Comeback, dass du ja nicht gerade heimlich inszenierst?
Ich sehe darin kein Comeback, was Electroboy angeht. Es ist auch keine elektronische Musik.
Ich als Florian mache akustische Musik, die persönlich und intim ist und die aus kommerzieller Sicht kein breites Publikum ansprechen dürfte. Alles in Eigenregie und ohne Verpflichtungen. Deshalb ist das so auch stimmig für mich. Grössere Projekte mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit kann ich mir nach wie vor nicht vorstellen.
Auch das Stehen in der Öffentlichkeit, das Erkanntwerden auf der Strasse nanntest du als Grund für deinen Rückzug, du sprachst davon, lieber anonym für dich zu «werkeln». Hat dir im Nachhinein dann doch etwas gefehlt?
In keiner Form. Ich war sehr dankbar, hat das sehr schnell abgenommen – vielleicht auch wegen der Schnelllebigkeit der Zeit – und ich fühle mich pudelwohl dabei. Es fühlt sich befreiend an, keine Projektionsfigur mehr zu sein. Denn als das fühlte ich mich am Schluss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Musik als Florian eine grosse Öffentlichkeit erreichen wird. Dafür bewegt sie sich zu sehr ausserhalb des populären Musikgeschmacks.
Im Interview von 2019 hast du auch gesagt, dass dich fertige Produkte nicht mehr interessierten. Ist das immer noch so und warum promotest du dann dein neues Album doch?
Wenn mir der persönliche, emotionelle Bezug zu einem Produkt fehlt, beschäftigt es mich in
der Regel nicht mehr, wenn es fertig ist. Die Musik als Florian Burkhardt ist für mich
persönlich und emotionell.
Meine eigene Musik mache ich sowieso. Diese Form der Veröffentlichung ist kein
Aufwand und eine Pressemitteilung zu versenden, die für mich integer ist, ist völlig in
Ordnung für mich. Wenn sich dann jemand interessiert, sich angesprochen fühlt, sich offen
zeigt, ist das für mich ein Geschenk. Aber ich und die Musik sind unabhängig und nicht
angewiesen auf möglichst viel Berichterstattung und gesellschaftlichen Erfolg. Und dieses
Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung hatte ich seit der Veröffentlichung des Films nicht
mehr.
In den 13 Songs deines neuen Albums «Backstage» willst du dich laut Pressemitteilung «ungeschminkt, emotional und nahbar» zeigen. Weshalb beginnst du das Album mit einem Song («Tankdeckel») aus der Zeit, die du im katholischen Lehrerseminar verbracht hast?
Als Hommage an den jugendlichen Florian, der damals im Internat fast täglich eigene Musik
komponiert hat. Und der mich 25 Jahre später inspiriert hat.
Die Songs erinnern sowohl vom Text als auch von der musikalischen Begleitung mit der Gitarre häufig an Kinderlieder bzw. an Improvisationen, die Eltern ihren Kindern vorsingen, du wirkst teilweise im Song suchend und dich vorwärtstastend. Bist du gerade auf der Suche und wenn ja wonach?
Für mich war es wichtig, meine alten Herangehensweisen auf das Notwendige zu reduzieren, das der Song unbedingt braucht. Und auch ein Verzicht auf die üblichen technischen Hilfsmittel von heute, die man verwendet, um Perfektion anzustreben. Perfektion ist nicht mein Ziel, sondern das Spüren des Menschen. Das wirkt dann vielleicht so, als würde ich jemandem spontan einen Song von mir vortragen.
Auf der Suche bin ich immer. Ich liebe Fragen und habe gefühlt unendlich viele. Dazu gehört
auch, dass ich mich selbst und manche Handlungen und Muster von mir hinterfrage.
Manche Songs lassen den Pädagogen durchscheinen, z. B. «Jedi Zit brucht sini Helde», andere sind vom Text eher schlicht. Insgesamt erinnert vieles aber an die Liedermacher früherer Zeiten. Wer ist die Zielgruppe deines Albums?
Ich habe keine spezifische Zielgruppe. Ich habe jetzt schon erfahren, dass es Menschen gibt,
die sich sehr angesprochen fühlen und es Menschen gibt, die in keiner Form etwas mit
meiner Musik anfangen können. Für mich ist einfach wichtig, dass ich mit ihr zufrieden bin und hinter ihr stehen kann.
Und als letzte Frage: Wie geht es weiter mit Florian Burkhardt? Hast du weitere Pläne?
Songs zu komponieren und Texte zu schreiben ist etwas, das mich seit Kindheit / Jugend begleitet. Also quasi Grundbedürfnisse von mir. Ich möchte weiterhin als Florian Burkhardt Songs schreiben und wenn es sich für mich stimmig anfühlt, sie auch veröffentlichen.
Zusätzlich kann ich mir vorstellen, neue Texte zu schreiben und sie auf einer Art Blog zu teilen.
Das neue Album gibt es ab sofort beispielsweise auf Spotify
zu hören. Weitere Infos direkt auf der Webseite von Florian Burkhardt.
Hier direkt reinhören:
Comments