Das war vor vielen Jahren eine Redewendung bei Homosexuellen, die dann gerne von Schwulen ironisch zitiert worden ist. Das Fragezeichen am Schluss ist gefühlsmässig an eine nachfolgende Bedingung geknüpft. Aber an welche?
Es ist die Bedingung, «es evtl. wieder gut zu machen», der Glaube, irgendwie «normal werden» zu können. Oder dass ein Papst doch noch einen Kardinal heiraten werde, oder dass sie vielleicht nicht das Kind einer heterosexuellen Familie seien. Es erinnert mich an die «weisen Homosexuellen» bei der SVP oder der EDU/EVP, die sich weigern, als «Opfer anerkannt» zu werden, weil sie in der allgemeinen Normalität nicht auffallen möchten.
Das Phänomen ist mir seit Jahrzehnten bekannt und entsprechende Provokationen habe ich selbst erlebt: Wenn ich zur Gegenwehr aufgerufen habe in meinen Blättern, erntete ich abschätzige Äusserungen – von Leuten, die nie tätlich angegriffen worden sind. Sie wollten nicht mit solchen Menschen in Verbindung gebracht werden. Nur privat ihrer persönlichen Lust frönen, die «niemanden etwas angeht!» Es konnten einige Jahre verstreichen – und plötzlich stand einer von ihnen in meiner Ladentür: «Es ist etwas passiert, du musst mir helfen!» Musste ich??
Ein zufälliges Gesprächsgegenüber meinte kürzlich, nach dem Gestürm der Frauen müssten jetzt auch die Homosexuellen noch stürmen nach einem Gesetzesparagraphen – das würde sowieso nichts nützen.
Da sprang mir der Nuggi aus dem Mund:
Zuerst stürmen die heterosexuellen Männer und greifen Schwule und heute auch Lesben in der Öffentlichkeit an.* Viele Betroffene schweigen – wie Frauen – und weil der Mann kein Opfer sein darf.
Hat die Polizei mal Täter verhaftet, müssen sie anschliessend nach Geschädigten suchen, weil diese geflohen sind. Keiner möchte mit so einer Realität in Verbindung gebracht werden. Michael Frauchiger von einem Gegen-Abstimmungskomitee brachte es letztens in der TV-Diskussion auf den Punkt: Einfach unauffällig wie Heterosexuelle Normalität leben. Das ist schon immer die Vorstellung einer Anzahl von Schwulen. Sie haben die «Normalität» verinnerlicht. Aber: Andere müssen nicht so sein, wie man selber ist – und trotzdem sollen sie Solidarität erhalten.
In meiner Jugend riet mir mein Vater, ich solle mich gegen Angreifer auf dem Schulweg wehren.
Doch erst viele Jahre später und nach seinem Tod hatte ich die Antwort parat: Was soll ich mich mit Männern prügeln, wenn ich doch lieber an ihre Schwänze will!?
Das Phänomen kennen wir aus der Geschichte anderer Minderheiten: Von den Schwarzen über Farbige, Juden, Hugenotten, Fahrende bis zu den Frauen, die gar keine Minderheit sind. Schon Jesus soll am Abendmahlstisch zu Petrus gesagt haben: «Ehe der Hahn kräht wirst du mich dreimal verleugen!» (Matth. 26, 34. Drum haben die Reformierten als Mahnung einen Hahn auf dem Kirchturm.)
Es ist das Verdrängen der eigenen Betroffenheit. Wir haben genug schwule Psychologen die das wissen. Martin Fröhlich von der hab erzählte in einem Interview über die ersten Demos in Bern wie er die Schwulen auf dem Trottoir, die er kannte, aufforderte, mitzumarschieren, «denn sie gehörten auch dazu». (Bund 12.06.18)
Ich erinnere mich an
die Demos gegen die Trampreiserhöhung in Basel 1969. organisiert von den Progressiven Organisationen. Da hiess es laut: «Solidarisiere! Mitmarschiere!» Das hätte ich auch gerne gehört an der CSD-Demo der habs im Juni 2019 in Basel.
Peter Thommen_70, Schwulenaktivist
*Schlaue Jungs von heute fragen keck ob man schwul sei, um auch sicher zu gehen, dass keine Gegenwehr erfolgt!
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