top of page

Kultur-Tipp: Theater im Schiffbau «Elfriede Jelinek: Rechnitz.

Autorenbild: Birgit KawohlBirgit Kawohl

Wir begeben uns in die deutsche Vergangenheit. Frühjahr 1945, ein Schloss an der österreichisch-ungarischen Grenze. Hier feiert die Gräfin mit ihren Gästen (NS-Grössen und SS-Mitglieder) ein rauschendes Fest. Nach reichlich Alkoholgenuss wird man gegen Mitternacht aktiv und ermordet ca. 200 jüdische Zwangsarbeiter zur Belustigung aller Gäste. Die Täter fliehen, die Rote Armee hält Einzug und legt alles in Schutt und Asche, die Tat wird nie aufgeklärt, nie gesühnt. Dies ist die Vorgeschichte, an die sich Jelineks Drama anschliesst. Rückblickend erinnert sich ein Bote, in der aktuellen Inszenierung eine Botin, an das Geschehen. Und wie immer ist die Erinnerung partiell und tendenziös. Die etwa 50 Zuschauer finden sich zu Beginn der Vorstellung im Foyer des «Schiffbau» ein. Man blickt sich dezent um, wer noch so dort steht, fragt sich, was nun passieren wird, und manch einer schaut aus, als ob er sich dringend an einen Sitzplatz im geheizten Theatersaal wünsche. So spannend wie der Einstieg in das Stück ist dessen Fortgang: Die Zuschauer werden an verschiedene Orte innerhalb des Geländes geführt und bekommen dort einiges dargeboten. Der Hauptteil des Abends findet dann an einem festen Spielort statt, den die Protagonistin, faszinierend und ungeheuer kraftvoll dargestellt von Isabelle Menke, ganz für sich vereinnahmt. Sie lässt jede Schutzhülle, die normalerweise Darsteller umgibt, fallen, und begibt sich quasi nackt ins Publikum. Diese Schutzlosigkeit kontrastiert auffallend mit den Rechtfertigungen, die die Botin bezüglich der geschilderten Tat äussert. Der Zuschauer wird mitgerissen und kommt kaum zum Nachdenken. Dafür hat man anschliessend ausreichend Gesprächsstoff, wenn man das Theater nach ca. 120 Minuten verlässt.

Jedem sei empfohlen, sich auf diese spannende Reise einzulassen. Gelegenheit dazu bietet sich noch am Mittwoch, dem 02. November.

Weitere Infos hier


bottom of page