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AutorenbildMoel Maphy

Zum Tod von Christa de Carouge: Wenn aus Kleidern Kunst wird


 

Christa de Carouge, die bekannteste Kleiderdesignerin der Schweiz, ist tot. Sie starb am Dienstag überraschend nach einer kurzen, schweren Krankheit. Wir publizieren hier aus aktuellem Anlass das unveränderte Interview, welches Christa de Carouge uns im Dezember 2017 gegeben hat. Christa zeigte sich im Gespräch lebendig, vital und freute sich auf "das, was da noch kommen wird".

 

Wenn aus Kleidern Kunst wird

Ist Mode Kunst? Ja. Bei Christa de Carouge schon. Die neue Ausstellung im Kunsthaus Zug zeigt, dass die Designerin früh mit dem gängigen Verständnis von Geschlechtern gespielt hat.

Haymo Empl

Die Schweizerin Christa de Carouge hat einen einzigartigen Stil geprägt – radikal, kompromisslos und minimalistisch. Die aktuelle Ausstellung heisst denn auch ganz schlicht «Christa de Carouge». Christa de Carouge wurde mit ihren Kleidern in einer Dekade gross, als die Zeichen auf Konsum und weniger auf Kultur standen; es waren die frühen 1980er-Jahre. Swatch erfand damals gerade die Wegwerfuhr, die grossen internationalen Kleiderkonzerne begannen zu expandieren und bewarben saisonale Billigmode, die nach wenigen Wochen in den Abfall wanderte. Und plötzlich tauchte da eine Frau auf, die Schwarz als Farbe definierte, Menschen anzog sowie die Frau vom Objekt zum Subjekt machte und, so ganz en passant, auch mit dem gängigen Verständnis von Geschlechterrollen spielte.

Christa de Carouge erklärte dem Cruiser im Kunsthaus Zug, woher sie ihre Inspiration für die Bekleidung holt: Früher sei sie viel gereist, habe die Eindrücke aufgesogen und verarbeitet. «Ich wollte beispielsweise aufgrund einer solchen Reise dann ein Kleid machen, welches wie ein Tempel ist.» Zuhause setzte sie das dann auch um. Das Kleid hängt derzeit im «Spielraum» im Kunsthaus. Spielraum heisst, dass man dort die Kleiderkunst von Christa de Carouge auch ausprobieren darf. Bedeutet: anziehen und effektiv damit spielen. Denn die Werke von Christa de Carouge laden förmlich zum Experimentieren und Berühren ein. Dreht man sich in einem der ausgestellten Kleider um die eigene Achse, beginnt dieses sich mit Luft zu füllen, ganz ähnlich einem Heissluftballon. Dadurch wirkt das Kleid erwartungsgemäss ganz anders, als wenn es einfach am Bügel hängt. Spielen heisst aber auch, dass die Kleider durchaus auch von Männern getragen werden können, denn bei Christa de Carouge vermischen sich die binären Geschlechterrollen.

Mode, die keine ist

Christa de Carouge war schon immer nonkonform; in einer Art, die nie aufgesetzt wirkt oder sich gar nach einem Trend richtet. «Geh deinen Weg und bleib auf deinem Weg», hat ihr Max Bill einst gesagt. Der vielfältige Künstler habe sie nachhaltig beeinflusst, sagt sie weiter. Entsprechend ist ihm einer der Räume in der Werkschau indirekt gewidmet: Max Bill experimentierte mit diversen multifunktionalen Gebrauchsgegenständen, Christa de Carouge ebenfalls. Das Ergebnis ist in der Ausstellung in besagtem Raum zu sehen. «Mode war nie mein Konzept», so Christa de Carouge weiter. Sie interessierte sich immer für mehr als nur den Schein.

Im Kunsthaus werden aber nicht nur die experimentellen Kleider gezeigt, sondern auch effektiv die «Klassiker» – Kleiderobjekte also, die sofort als «Christa de Carouge»-Stil erkannt werden und die Designgeschichte schrieben und schreiben werden. Christa de Carouges Kleider sind gemacht für Frauen und Männer, die damit ihre Individualität ausdrücken. Der eigene Körper wird bei Christa de Carouge verhüllt und dennoch gelingt es dem Tragenden genau dadurch, sein eigenes Ich zu zeigen. Das klappt seit Dekaden erstaunlich gut und ist eigentlich kaum erklärbar. Vielleicht zieht die Mode, die keine ist, eben genau diese Menschen an, die es durch ihre eigene Persönlichkeit schaffen, individuell zu sein. Es sind denn auch oft Architekten, Grafiker, Künstler, die die Kleider von Christa de Carouge tragen und dadurch zeigen, dass sie sich von der gängigen Vorstellung, was «Mode» sein soll, verabschiedet und sich letztendlich selbst gefunden haben. Denn für Christa de Carouge sind Kleider nicht einfach Accessoires, sie sind ein Statement und weil die primären Geschlechtsmerkmale einer Person bei den Kleidern von Christa de Carouge oft nicht sichtbar sind, wird das Geschlecht als solches sekundär.

Charme, Schalk, de Carouge

Viele der Kleiderobjekte im Kunsthaus sind Leihgaben von Privatpersonen, denn Christa de Carouge hat selbst nicht von jeder Kollektion Stücke behalten. Bei fast allen Ausstellungsstücken lässt sich auch klar erkennen, in welcher Schaffensphase die Designerin jeweils war. Sie hat sich definitiv an die Worte ihres «Mentors» Max Bill gehalten, denn der Weg verlief künstlerisch gesehen auf jeden Fall gerade, sicher war er auch steinig und steil. Würde man das Bild des Weges in die reale Welt übertragen, hätte Christa de Carouge auch dafür das passende Outfit. In Schwarz, natürlich.

Die herzliche Frau mit einem unglaublichen Charme und enorm viel Schalk gilt in der Mode und im Design als kompromisslose Puristin; dies ist aber nur möglich, wenn man gleichzeitig unglaublich viel auf der Gefühlsebene zulässt.

Dieses Lebenskonzept hat Christa de Carouge – dieses Jahr 81 Jahre alt geworden - begriffen und lebt es auch. Hinter all dem Schwarz verbergen sich nämlich unglaublich viele Schattierungen. Dies bemerkt man aber nur, wenn man genau hinsieht.


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