Divamix 2019 ist erfolgreich im Hechtplatz angelaufen. Eine musikalische Notfallbehandlung mit Biss, Ironie, Tiefe & Seelenbalsam von Michael von der Heide, Nubya und Christina Jaccard.
Glanz und Gloria, Glitter und Glamour? Erst einmal Fehlanzeige! Einen sterileren Ort als eine Notfallstation kann man sich kaum vorstellen. Schon gar nicht für drei Gesangs-Diven, die sich dort zu nächtlicher Stunde zufällig und ungewollt treffen, nachdem der Applaus verklungen ist, die Gagen kassiert und die Lichter gelöscht sind. Das Grundsetting von «Divamix» liest sich nicht gerade glamourös. Aber wenn man sieht, wer hinter dem Divamix 2019 steckt, dann ahnt man, dass es anders kommen wird, als man denkt.
Christina Jaccard, die kraftvolle und spirituelle Blues-Gospel-Diva mit Fähigkeiten in astrologischer Lebensberatung, verführerisch wie eine Jazzsingende Marlene Dietrich. Nubya, die geheimnisvoll-elegante Soul-Diva mit nigerianischen Wurzeln, an die nur scheinbar makellose Whitney Houston erinnernd und schliesslich Michael von der Heide, als ehemaliger Diplom-Krankenpfleger mit den Notfallstationen des Landes bestens vertraut, der die bissig-charmante Chanson-Diva als glamourösere Version von Jacques Brel gibt. «Da ich ja ausgebildeter Pfleger bin, könnte es gut sein, dass ich das eine oder andere Mal die spitze Spritze ansetze», erklärt Michi von der Heide gegenüber dem Cruiser. «Vielleicht bin ich ja auch der Divenflüsterer oder Vermittler, das alles wird sich im Verlauf des Abends herauskristallisieren», so der Sänger weiter. Michi zwischen zwei starken Powerfrauen. Eine ungewöhnliche Konstellation für den Sänger? «Da haben die beiden Glück, denn ich bin ein starker Mann und bei Bedarf dürfen sie sich gerne bei mir anlehnen. Aber manchmal stehe ich auch rechts oder links von ihnen», erklärt er im Gespräch mit dem Cruiser augenzwinkernd.
Drama auf der Bühne
Was geschieht, wenn sich die drei Diven im Warteraum der Notfallstation (Bühnenbild/Requisite: Carla Hohmeister) begegnen, flankiert von einem mysteriösen Wasserspender und einem Nummernautomat, dessen Anzeigetafel, egal wie viele Tickets gezogen werden, immer stehenbleibt? Eine Extrabehandlung kriegen die Diven, obwohl in glamouröse Roben gekleidet (Kostüme: Willi Spiess), nicht. Sie müssen sich also auf eine längere Wartezeit einstellen, die sich allein durch die Lektüre der von bekannten Herzspezialisten empfohlenen «Dr. Stefan Frank»-Arztromane nicht vertreiben lässt. Apropos Willi-Spiess-Kostüme: Wie ist das so, wenn der eigene Partner die Kostüme entwirft? «Willi ist mein Gefährte, mein Berater, mein Kritiker, meine grosse Liebe. Er macht natürlich auch die Kostüme für meine eigenen Shows», sagt Michi von der Heide… und es wird einem ganz warm ums Herz bei dieser rührenden Liebeserklärung. Zurück zum Stück: Dort geht es weniger schmonzettenhaft zu und her, aber dafür nicht minder dramatisch: Obschon in einer Notfallsituation, sind sie als Diven penibel darauf bedacht, das Gesicht zu wahren und die verletzliche Seite – falls überhaupt vorhanden – gekonnt zu verstecken. Von der Neugierde getrieben, versucht jede, herauszufinden, was die andere quält: Ein gebrochenes Herz, eine verlorene Stimme, ein Riss in der Seele, ein angeknackstes Ego oder doch nur ein verstauchter Zeh? Sind die drei zu Beginn reserviert, zugeknöpft und unnahbar, findet im Verlauf des Abends eine Annäherung statt. Dies erfordert nebst körperlicher Leistung natürlich auch stimmlich so einiges: «Was mich als Sängerin betrifft, werde ich vielleicht stilmässig grössere Spagate machen müssen als meine beiden anderen Mitspieler», erklärt Christina Jaccard. Sie ist national besonders für ihre soulige Stimme bekannt und eine unumstössliche Grösse in der Musikszene. Die «weisse Lady mit der schwarzen Stimme» erklärt weiter: «Das Hin- und Herswitchen der verschiedenen Stilrichtungen ist eine spannende Herausforderung. Das beansprucht die Stimme und Interpretationsvariationen auf vielfältige Weise.» Weniger herausfordernd ist das Schauspiel – eine Tatsache, die eigentlich erstaunt. Denn gerade die Schauspielerei fürchten viele Sänger wie der Teufel das Weihwasser. «Die Schauspielerei war ursprünglich mein erstes Talent, das ich an mir entdecken durfte. Der schauspielerische Anteil in Divamix ist insofern also keine spezielle ‹Herausforderung› für mich, sondern Spass und Freude pur. Ich schlüpfe gerne in Rollen», sagt Christina Jaccard gegenüber dem Cruiser. «Was für mich jedoch sicher eine Herausforderung sein wird, sind die choreografischen Anteile. Meine Ballettjahre liegen weit zurück und ich muss mich tänzerisch wieder auf Vorderfrau bringen», so der Soul-Star.
Fulminantes Comeback
«Divamix» kehrt exakt 20 Jahre nach der höchst erfolgreichen Erstauflage, damals mit Michael von der Heide, Christina Jaccard und Maja Brunner, auf die Theaterbühnen in Zürich, Bern und Basel zurück.
Die Diven sind also endlich mit Nubya (mit einiger Verspätung…) im neuen Millennium angekommen und es gilt, in «Divamix – Urgent Musical Treatment» einige Fragen zu erörtern, beispielsweise wie man eine Diva definiert: «Sie ist im positiven Sinne elegant, auf Perfektion bedacht, grosszügig, geheimnisvoll, intelligent, kaum durchschaubar und im negativen Sinne launenhaft, zickig, unfair. Aber auch jemand, der ganz natürlich den Raum einnimmt», sagt Michael von der Heide. Christina Jaccard ergänzt: «Eine Diva strahlt Magie aus. Sie reflektiert etwas, das Menschen und Publikum in den Bann zieht. Und sie spürt eine Portion Macht, egal, ob diese aus Genialität, einem persönlichen Manko oder aus beidem entstammt.» Nubya gegenüber dem Cruiser zur Diva-Frage: «Eine Diva ist eine Person, die natürliche Grazie besitzt, eine grosse Ausstrahlung hat und sich dessen bewusst ist, dass sie andere faszinieren kann. Sie strahlt grösste Selbstsicherheit aus, auch wenn sie diese nicht unbedingt immer besitzt. Niemand würde auf die Idee kommen einer Diva ihren Platz auf dem Podest streitig zu machen... ausser vielleicht eine andere Diva.»
Es lebe die Diva!
Und wie haben sich die Vorstellungen einer Diva in den letzten zwanzig Jahren verändert? «Ich hatte und habe natürlich das Bild einer glamourösen Hollywood-Diva im Kopf», erzählt Michael von der Heide. «Heutzutage werden aber auch Männer als Diva betitelt, wie zum Beispiel die gestylten, frisierten, parfümierten, Millionengagen kassierenden Fussballer.» Christina Jaccard ist fasziniert, dass es Diven gibt, «die zur Diva geboren sind und es bleiben, auch wenn das Publikum wegfällt. Mein Bild hat sich insofern verändert, dass mich noch mehr der Mensch in und hinter jeder Diva interessiert.» Nubya hat «Diven früher eher mit Frauen in langen Roben in Verbindung gebracht, aber es gibt auch grossartige männliche Diven – und Katzen besitzen meiner Meinung nach ebenfalls ein hohes Divenpotential.» Diven und Katzen ist die Kratzbürstigkeit gemein. Wie praktisch, ist der Schauplatz von «Divamix – Urgent Musical Treatment» eine Notaufnahme. So können allfällige Schrammen gleich behandelt werden.
Vor divenhaften Zügen sind die drei «Divamix»-Charaktere keinesfalls gefeit. Michael von der Heide gesteht: «Ich kann mich aufregen, wenn die Garderobe nicht liebevoll hergerichtet ist oder gar nicht erst bedacht wurde. Ich sage dann jeweils dem Veranstalter: ‹Würdest du hier deine Mutter für einen Tag sitzen lassen?›» Christina Jaccard nerven «Situationen nach einem Konzert, wenn Männer – Frauen tun dies nicht! – mich automatisch duzen oder mich nach einer kurzen Konversation zum Abschied küssen, auch wenn ich ihnen höflich die Hand reiche und markiere, dass ich nicht geküsst werden will.» Bei Nubya kann «das Divenhafte durchdringen, wenn ich vor einem Auftritt nervös bin und am liebsten meine Ruhe haben möchte, sie aber nicht bekomme.»
Gespannt darf man darauf sein, welche neuen Facetten und Talente die drei Diven in der ungewohnten Umgebung der Notfallstation preisgeben werden. Obwohl «die Charaktere in ‹Divamix› unserer Persönlichkeit nahe sind», wie Nubya sagt, kommen gemäss Christina Jaccard «vielleicht auch ein paar Überraschungen zum Vorschein». Bei ihr darf man, wie eingangs schon erwähnt, vor allem auch auf die neuen Facetten ihrer Gesangskunst gespannt sein. «Ich werde u.a. ein (für mich inhaltlich) recht anspruchsvolles Lied der französischen Sängerin Dalida singen. Aber auch ein hebräisches Chanson (ich liebe diese Sprache!), dessen fast alttestamentarische Romantik und Lyrik mich fasziniert. Ich kenne dieses Lied von einem meiner grossen Teenager-Idole Esther Ofarim.»
Für Michael von der Heide ist das Schönste am neuen Projekt, «dass wir unser Diven-Dasein musikalisch ausleben können, ohne dass uns jemand böse ist». Und bevor die drei ganz unterschiedlichen Diven allzu stark über die Stränge schlagen, hat Regisseurin Catriona Guggenbühl, quasi als im Hintergrund agierende Chefärztin, ein perfektes Mittel, die Diven im Zaum zu halten und den (dramaturgischen) Faden nicht aus der Hand zu geben: «Ich nehme einfach jede Diva zur Seite und sage ihr, ganz privat, dass sie einzigartig und grossartig sei.» So bilden Michael von der Heide, Nubya und Christina Jaccard schliesslich in der Dreistimmigkeit eine Einheit, merken: «Zusammen sind wir stark!» und berühren damit ihr Publikum. Dieses soll durch die musikalische Notfallbehandlung des Diven-Trios mittels Humor und wohlklingendem Seelenbalsam gestärkt in die Nacht entlassen werden. «Diese Show macht jeden Kranken gesund», meinte vor zwanzig Jahren ein begeisterter Besucher des ersten «Divamix»-Programms. Bleibt noch die Frage, weshalb die Kombi von der Heide/Jaccard/Nubya so gut bei der LGBT*-Community ankommt. «Ich denke, der ganze ‹we are family›-Gedanke ist bei uns spürbar. Schöne, starke Sängerinnen und dann noch der ‹von der Heide›. Da wissen die Leute, dass das ein schöner Abend mit tollen Songs, etwas Drama, viel Gefühl, Stil, Power, Melancholie und Ironie wird.» Und Nubya ergänzt: «Unser Programm ist einfach für alle, die für zwei Stunden in eine Welt, in der gelacht, geweint, und nachgedacht werden kann, entführt werden möchten».
Es gibt keine Zweifel, dass auch die Neuauflage dieselbe Wirkung entfalten wird, die Premierengäste und damit auch die Cruiser-Redaktion waren auf jeden Fall begeistert! Die ausführliche Version von diesem Bericht gibt es übrigens im aktuellen Cruiser.