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Der schöne Influencer

Steven Epprecht folgen 300’000 Menschen auf Instagram. Das sind mehr, als jeder Bundesrat hat. Ein Versuch, seinem Erfolg auf die Spur zu kommen.


Haymo Empl

C) Joerg Kressig

Das Thema Influencer ist auf der Cruiser-Redaktion eine Mischung aus Reizwort und Brechmittel, verbunden mit ungläubigem Staunen, gefolgt von Schulterzucken. Die klassischen Journalist*innen auf der Redaktion haben Mühe damit, dass irgendwer mit irgendwelchen Fotos und meist nicht sehr gehaltvollen Texten beziehungsweise stumpfinnigen Bildlegenden irgendwas zu sagen hat. Und schlimmer noch: Dass die Gesellschaft das so Gesagte auch noch glaubt. Die bekannte Journalistin Simone Meier meinte einst in einem Artikel: «Der hohlste Traumjob der Welt? Influencer!»

Wenn aber ein Influencer weit über 300 000 Follower*innen hat, dann hat diese Person eine unglaubliche Reichweite – mehr als die meisten Printmagazine in der Schweiz. Und dann hat diese Person auch etwas zu sagen.


Textilfrei mit Text


Steven Epprecht machte bis vor wenigen Monaten vor allem mit seinen Fotos und sehr wenig Text dazu auf sich aufmerksam. Manchmal gibt’s auch nur ein paar Hashtags: Steven am Strand (gesponsert, also Steven, nicht der Strand), Steven in der Türkei (gesponsert), Steven trägt irgendein Kleiderlabel (gesponsert), Steven ohne Hemd (Hose: gesponsert). So weit, so banal. Interessant wurde es dann aber vor ein paar Wochen: Steven Epprecht outete sich als Gay. Das Outing war weniger von Interesse, sondern viel mehr die Reaktionen der klassischen Print-Massenmedien. Man zelebrierte einen Rückgang der Follower*innen. Aber: Der Super-GAU blieb aus. Steven verlor gerade mal knapp 1 000 Follower*innen, gewann dafür aber jede Menge neues Social Media-Gefolge. Also eigentlich ein Fall von klassischen No-News. Dennoch liebten die Mainstream-Medien die Geschichte. Und das ist das eigentlich Traurige daran: Warum ist das immer noch so ein grosses Thema? Sollte es mittlerweile nicht so sein, dass sich niemand mehr um ein «Outing» oder «Coming-out» kümmert?


Sponsoren-Verlustängste


c) Joerg Kressig

Wir haben Steven nicht nur zum Fotoshooting bei Joerg Kressig ins Studio geladen, sondern uns am nächsten Tag mit ihm getroffen. Steven nahm sich viel Zeit für Cruiser und beantwortete geduldig alle Fragen – auch wenn er diese sicherlich schon zig Mal von seinen – wie er es nennt – «Fans» gestellt bekommen hat.

Warum also ist das so eine Sache mit dem Coming-out? Steven trinkt einen Schluck von seinem Kaffee und überlegt kurz: «Es war auch für mich eine ‹grosse Sache›, ich hatte Angst, dass ich Sponsoren verliere, dass ich als anderer Mensch wahrgenommen werde und dass dieses Outing ganz generell nicht besonders gut ist für meine Jobs als Influencer und Model.»

Da stellt sich die Frage, warum sich der Instagram-Star nicht schon viel früher geoutet hat, nämlich damals, als er noch nicht so viele Follower hatte. Das wäre ein ehrliches Fundament gewesen, auf dem Steven hätte aufbauen können. «Ich kann diese Frage und die Logik nachvollziehen», erklärt der 33-Jährige. «Nur vergisst man gerne, dass ich zuerst mich selbst finden musste. Ich wäre in meinen 20ern nicht dazu bereit gewesen. Klar, mein Umfeld wusste, dass ich auf Männer stehe. Aber ich hatte schlicht nicht den Mut für ein Outing und ich finde nach wie vor, dass die Sexualität eigentlich niemanden etwas angeht.» Warum er

C) Joerg Kressig

seine Sexualität dennoch öffentlich machte, hatte einen (hehren!) Grund. Und der war erst noch politisch: «Ich habe mich kurz vor der Abstimmung zur ‹Ehe für alle› geoutet. Ich fand, es reicht nun wirklich mit der Diskriminierung und habe mich daher für diese eingesetzt.»

Das ist unüblich für einen Influencer. Fast alle Meinungsmacher halten sich zurück mit Politik in den Sozialen Medien. Aber Steven scheint so gar nicht in das Klischee des «typischen Influencers» zu passen: «Ich habe schon vor meinem Outing gewisse Aufträge nicht angenommen, wenn ich für diese Jobs meine Sexualität hätte verleugnen müssen», erklärt er nachdenklich. «Beispielsweise hätte ich für eine Hetero-Dating-Plattform Werbung machen sollen. Es wäre ein sehr gut bezahlter Job gewesen. Ich habe aber abgelehnt, weil ich nicht den Hetero mimen wollte.» Beim Modeln sehe die Sache anders aus, denn dabei müsse er seine (positive) Meinung nicht aktiv den Followern kundtun, meint der Zürcher Oberländer.


(K)ein spannendes Leben?

Es stellt sich schon die Frage, was denn an Steven Epprecht derart faszinierend ist, dass ihm 330’000 Menschen folgen. Zum Vergleich: Bundesrat Alain Berset schafft gerade mal 116’000.


Die ganze Geschichte gibt es hier (kostenlos)

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