Alle Gay-Betriebe mussten schliessen. Wir haben uns in einer Blitzumfrage in der Szene umgehört.
Männerzone:
CR: Euer Betrieb musste plötzlich schliessen: Was bedeutet das für dich?
Für uns ist es eine massive Einschränkung, auch finanziell!
CR: Was bedeutet die aktuelle Corona-Krise deiner Meinung nach für die Szene?
Nicht nur für die Szene, das betrifft alle, die sich an die Regeln des Bundesrat halten, es verändert vieles.
CR: Wie wird es für euren Betrieb nach der Krise weitergehen?
Ich hoffe, der Alltag kommt bald zurück und dass wir Kleinbetriebe auch was vom Bund erhalten.
CR: Hast du irgendwelche (moralische/finanzielle) Unterstützung aus der Szene erhalten? Nein, bis jetzt noch nicht gross, ausser ein paar Freunde, die nachfragen.
CR: Siehst du irgendwelche Parallelen zwischen der AIDS-Epidemie seinerzeit und der aktuellen Corona-Krise?
Da sehe ich keine Parallelen, das wird ja nicht über sexuellen Kontakt übertragen.
Petra’s Tip-Top Bar Zürich
1. Ungewissheit, Angst um die Existenz
2. Denke, das ist ein grosses, allgemeines Problem und betrifft alle
3. Ich hoffe, möglichst rasch wieder normal. Das heisst, dass die Gäste dann auch
wieder in den Ausgang gehen.
4. Von lieben Stammgästen habe ich ganz herzliche WhatsApp bekommen. Die munterten
mich auf.
5. Die Aids-Epidemie war sehr schlimm, da man in dieser Zeit sehr viele Freunde und
Bekannte verloren hat. Denke jedoch, dass man das nicht mit Corona vergleichen kann.
Was momentan passiert, hat glaube ich, von uns noch niemand erlebt. Hoffen wir, dass
es baldmöglichst aufwärts geht.
Erik, Cranberry Bar Zürich
1. Für uns bedeutet es sofortiger, abrupter Umsatzeinbruch. Wir haben genügend Liquidität, um die Löhne März und April zu zahlen, jedoch sind die Reserven stark limitiert. Für vier Festangestellte haben wir Kurzarbeit angemeldet und unseren Vermieter um Stundung der Miete angefragt. Wir hoffen fest auf weitere Massnahmen, um bei längerer Schliessung überleben zu können.
2. Die Bedeutung auf die Szene ist schwer einschätzbar. Jedoch lebt sie von Treffpunkten für Gleichgesinnte und viele werden grossen Mühe haben, teils allein zuhause sein zu müssen. Darum sind in diversen Netzwerken schon Hilfsgruppen, virtuelle Apéros und sonstige Community-Angebote entstanden, um die sozialen Kontakte weiterhin zu pflegen.
3. Das Cranberry wird sich hoffentlich wieder erholen. Sehr wahrscheinlich wird es anfangs etwas mehr Distanz geben. Da hoffen wir auf das Wetter und die Terrassensaison. Unseren Mitarbeitern geht es gut und sie sind sicherlich rasch wieder im Einsatz.
4. Einige besorgte Network-Kollegen haben nachgefragt. Wohl ist aber bei vielen die eigene Situation auch schwierig, darum melden sich nicht sofort alle bei der Cranberry Bar. Was erfreulich ist, ist, dass einige signalisiert haben, dass sie nach der Krise auf gute Cocktails freuen.
5. Anfangs der AIDS-Epidemie war ich noch Primarschüler und habe den Anfang nicht wirklich mitbekommen. Jedoch schätze ich, dass die jetzige Situation anders ist, da es sich um eine globale, alle Menschen betreffende Situation handelt. Auch sind die Warnungen über alle Kanäle verbreitet worden, was deutlich schneller geht als damals. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Leute daran halten, um die Krise rasch einzudämmen. Auch ist die Wissenschaft viel weiter als damals und kann rascher mit Therapien, Impfstoffen etc. helfen als es Ende 80er anfangs 90er möglich war.
Julian Martin, Men Bodywork Zürich
1. Ich bin Tantramasseur für Männer und gebe Kurse & Workshops zu Themen wie «Erotische Massage», «Kreative Sexualität» und «Sexuelle Begegnungen». Sowohl die Einzelsitzungen als auch die Workshops können momentan nicht stattfinden. Ich bin jetzt dabei, ein Online-Angebot auszubauen, Video-Chat-Coachings anzubieten und Lern-Videos zu produzieren und so meine Kunden zu versorgen.
2. Sehr viele Angebote fallen jetzt weg. Man soll zu Hause bleiben. Sexdates sind momentan keine gute Idee. Es droht für den Einzelnen Isolation und Mangel an Berührung. Dies betrifft aber nicht nur die Szene, sondern alle Menschen. Vor allem diejenigen, die alleine wohnen.
3. Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage schnell wieder da ist. Vielleicht hat die Krise ja auch was Positives und die Menschen gehen sensibilisierter mit Hygiene und Massnahmen zum Schutz vor Krankheiten um. Und möglicherweise halten in dieser Zäsur manche Männer inne, hinterfragen ihr bisheriges Sexleben und suchen nach neuen Wegen Sexualität kreativer zu gestalten und Neues auszuprobieren.
4. Nein. Ich sehe mich von meiner Tätigkeit her eher in der Pflicht und Lage, moralische Unterstützung zu bieten und kreativ zu werden. Wie genau, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen.
5. Auch in den frühen 80er-Jahren musste man Sexualität neu denken. Joseph Kramer hat damals die Taoistische Erotische Massage erfunden und diese in Einzelsitzungen und Gruppensession praktiziert. Es ging ihm darum, Intimität und Berührung zu praktizieren, ohne sich mit dem damals noch wenig erforschten HIV anzustecken. Es wurden Wege gesucht, wie man Orgasmen ohne Ejakulation erleben kann und so weiter. Alle diese Dinge prägen heute noch die Praxis der Tantramassage und überhaupt schwules Tantra sehr stark. Ich bin sicher, dass auch die aktuelle Krise Neues in Sachen Sexualität hervorbringen wird und bin sehr gespannt darauf!
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