Kolumnistin Marianne Weissberg zermartert sich, ob sie ihre warmen Weis(s)heiten überhaupt schreiben darf? Lesen Sie, was ihre typisch jüdischen Argumente dafür sind!

Wenn ich eine neue Kolumne starte, sogar wenn dies unter meinem geliebten Kolumnen-Bränd „Weissbergs Weissheiten“ geschieht, habe ich immer GRAUENVOLL Lampenfieber!! Es ist so, wie wenn ich hinter dem Vorhang auf einer Bühne stehe, unten SIE, mein Publikum, dann geht der Vorhang auf, und ich sollte etwas sagen. Hiilfe! Was, wenn das Gummiband platzt und mir die Unterhose runterfällt? Was, wenn die Brillengläser beschlagen und ich ganz vorne nur noch die naserümpfenden Eltern sehe? Moment, die sind längst gestorben, und ja, jetzt wissen Sie, ich bin nicht nur weise, drum die Weis(s)heiten, sondern auch vollreif, ok, ein biiisschen alt. So mit Brille und Unterhose, statt Linsen und String! Ach ja, und meine erste Beauty-OP hatte ich schon vor hundert Jahren als blutjunge, jüdische Braut: einen Nosejob, den ich aber als medizinische Notwendigkeit (v)erklärte.
Haben Sie gemerkt, ich verklickere mich grad raffiniert als (auch) MINDERHEIT! Denn, als ich von meinem schwulen Freund, dem Scheff dieses Magazins, engagiert wurde, sagte ich sofort: „Äh, ich bin doch nicht lesbisch und höchstens schwule Mutti eines jüdischen Sohnes?“ Ja, ich schöpfe meine schwulen Kenntnisse vornehmlich aus dem 5000. Rerun von „Sex and the City“, das ich auswendig nachsprechen kann, also wenn Charlottes und Carries BSCHF (best schwul friends) den Ladies klarmachen, dass man zwar glamourös zickig sein darf, aber bitte noch ein wenig Hirn bewahren sollte. DAS bewundere ich ja an meinen schwulen Freunden: Sie sind vor allem MÄNNER. Und drum soo vernünftig und gelassen.
«Ich bin halt eine total unkoschere, jüdische Rampensau»
Wir Frauen hingegen sind ja durchgehend hysterisch. Lesben ächt auch?
Hier gerate ich wieder in einen Konflikt, ich habe zwar lesbische Sexfantasien, z.b., wenn das übliche Ritter-Rape-Szenario nicht funktioniert, weil ich zu müde bin. Dann fantasiere ich flugs ein paar süsse Nymphen dazu. Aber, in meinem Alltag keine ich lebenden Lesben. Und jener Dreier mit einer guten alten Freundin ging schief, weil ich zwar an ihr rumfummelte, der beteiligte Löli aber nur an mir. Kürzlich sass ich ja mit der lieben M. im Migroskafi und schlemmte Kuchen – wir hatten grad gemeinsam Schalwolle geposchtet – und ich dachte mir nichts dabei. Erst nachher fiel mir ein, dass wir es ja mal miteinander getan hatten. Wenn Sex nur immer so gemütlich versöhnlich sein könnte, vorallem nachher. Moment, wo war ich? Ah ja, dass ich Angst habe, hier ausgebuht zu werden, weil ich nicht lesbisch bin, nur anderthalb beste schwule Freunde habe und lediglich meinen popeligen Minderheitenbonus. Trotzdem ich weiss: Ich bin halt eine total unkoschere, jüdische Rampensau, und weiss bekanntlich alles (besser). Auch vor Ihnen? (Vorhang zu, big applause)