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AutorenbildMichael Rüegg

Kolumne: Der Penis ist ein kleiner Rassist


Menschen existieren in allen Farben. Aber nicht jeder mag jede. Das kann vor allem dann zum Problem werden, wenn der eigene Partner nicht die Farbe hat, die er haben sollte. Was kann man dagegen tun? Nicht viel, findet unser Kolumnist

Das Problem beim Rassismus ist, dass er menschenverachtend, verabscheuungswürdig und völlig daneben ist. Ein weiteres Problem beim Rassismus ist, dass man ihn nicht überall ausrotten kann.

Ich erinnere mich, wie mir ein Freund sein Leid klagte. Seit Jahren steht er auf dunkelhäutige Typen, Afrikaner, Halbafrikaner, Latinos, egal woher. Hauptsache sie sind nicht weiss und recht hübsch. Zwar hatte er immer mal wieder auch Sex mit seinesgleichen, aber der war halt nie so gut wie mit den dunkelhäutigen Typen.

Dann hatte er einen weissen Schweizer zum Freund. Er wollte das so. Schliesslich hatten ihm die Latinos zum Teil den letzten Nerv geraubt. Da waren manchmal doch recht unterschiedliche Kulturen aufeinandergeprallt. Im Bett mochte das noch so gut funktioniert haben. Ausserhalb des Bettes kam es zu kleinen Katastrophen.

Nun hatte er also seinen durchaus hübschen jungen Schweizer. Und er war auch sehr glücklich mit ihm. Aber dem Sex, so richtig beide auch alles machten, dem fehlte die gewisse südliche Würze, die mein Bekannter so sehr schätzte.

«Was soll ich tun?», fragte er. Meist projizierte er im Geiste einen Latino in den Körper seines Partners. Aber so spitz wie ihn die dunkelhäutigen Typen machten, so geil wurde er nie bei seinem Schweizer. Es war zum Verzweifeln.

Viele Schwule sind genauso gut im Ausgegrenztwerden wie im Ausgrenzen. Auf Datingportalen stehen Dinge wie «Sorry, no Asians». Spricht man jemanden darauf an, tritt das Dilemma zutage: «Ich finde die halt einfach nicht sexy, tut mir Leid», sind solche Sätze. Und es ist ja auch nicht praktikabel, nur aus Gründen der Diversity mit Menschen zu schlafen, von denen man sich nicht angezogen fühlt. Hirn und Herz mögen noch so offen und im Weltverbesserungsmodus sein – wenn der Pimmel die Sachlage anders sieht, besitzt er ein Vetorecht.

Natürlich gibt es sie: Die Kerle, die irgendwie nicht den gewissen Typen darstellen, den man sucht. Aber trotzdem etwas ausstrahlen, das einen anzieht. Doch die Erfahrung zeigt, dass ein Töpfchen immer wieder nach einem ähnlichen Deckelchen sucht.

Ich selber bin keinen Scheiss besser. Zwar praktiziere ich seit Jahren die Völkerverständigung. Mein Dating-Album liest sich wie eine Benetton-Werbung. Aber ich ertappe mich trotzdem immer wieder dabei, wie ich gewisse Features stärker gewichte als andere. Und ja, es gibt Männertypen, die mir nicht zusagen. Ganz unabhängig davon, ob sie objektiv gutaussehend sind. Sofern Aussehen objektivierbar ist.

Und dann sind da noch die Fetische. Man träumt von Sex mit Arabern im Schatten einer Dattelpalme, mit jungen Balkanesen in der Umkleide des Fussballstadions, groben türkischen Teenagern und so Sachen, an die man halt nicht immer herankommt.

Einer meiner Verflossenen, viele Jahre ist‘s her, war Malay aus Singapur. Ich sagte ihm damals, dass ich die malaiischen Jungs recht häufig recht attraktiv fände. Er fand, das sei sehr typisch für Europäer. Man fange mit Malay an und wenn man ein paar Jahre älter sei, kämen die Chinesen. «Was ist mit den Indern?», wollte ich wissen. Schliesslich bilden sie eine weitere grosse Bevölkerungsgruppe im Stadtstaat. «Och», fand er, «die sind dran, wenn man älter und kinky drauf ist.»

Neulich erkundigte ich mich bei einer gemeinsamen Freundin nach Mohammads Befinden. Es gehe ihm gut, fand sie: «Er ist jetzt mit einem Inder zusammen.» Mohammad hat jetzt keine Haare mehr. Er ist alt.

Immerhin wissen wir: Geschmack kann sich über die Jahre ändern. Oder wer hätte vor zwanzig Jahren schon einen Bärtigen geküsst?


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