Unser Kolumnist fordert – auch von sich selber – wieder mehr die Schweizer Konsens-Kultur zu leben.
Yep, so ist es: Im Moment würde ich gerne vielen Menschen auf der Welt die «Fuscht id Fressi» schlo. Denn vieles läuft schief. Die politischen Entwicklungen machen mir Angst, lassen mich aggressiv werden. Wo führt das hin? Und können wir etwas dazu beitragen, diese Entwicklung umzudrehen?
Versuche haben gezeigt, dass Menschen für den maximalen Vorteil der eigenen Gruppe kämpfen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es diese Gruppe real gibt oder ob die Zugehörigkeit mit Losen zugeteilt wurde. Und da wird es meiner Meinung nach spannend. Je kleiner die Gruppe im Kopf umso grösser das Konfliktpotential. Wie Michi Rüegg in seiner Kolumne im letzten Cruiser sagte: «Ich hatte nur geschrieben, was ist. Aber das reicht schon, um den unbändigen Hass der Meute auf mich zu ziehen.»
Da haben wir’s doch: Wir sind so rasch bereit, Mini-Gruppen zu bilden, damit wir etwas haben, wo wir unsere kleine Bubble verteidigen können. Da reichen kleine Adjektive, die unterschiedlich sind: monogam oder poly, schwul oder lesbisch, politisch links oder rechts, Vegetarier oder Karnivore, um nur einige Unterscheidungen zu nennen. Dabei hinterfragen wir überhaupt nicht mehr, was die Hintergründe sind. Und dann knallt’s.
Ich finde immer noch, dass menschenverachtendes Verhalten bekämpft gehört. Natürlich müssen Nazis von unseren Strassen verbannt werden. Aber dass wir selbst bei uns queeren Zeitgenossen immer mehr Unterscheidungen brauchen, um uns auf den Sack zu gehen, verstehe ich nicht. Mein Aufruf wäre also: Bekämpfen wir die Feinde unserer Rechte und halten wieder vermehrt zusammen. Machen wir unsere Mini-Gruppen wieder zu einer grossen und starken Gruppe.
Ich würde sofort auf die Unterscheidung cis oder trans verzichten und mich als Schwuler in einen Mann vergucken. Was nicht heisst, dass es sehr wohl spezifische Angebote braucht. Aber im Leben meine ich. Mann oder die Anderen verstehe ich auch nicht. Es gibt in allen Schattierungen doofe Menschen. Lassen wir doofe Menschen doofe Menschen sein und verbinden uns Nicht-Doofe (was immer das heissen mag). Und ob wir jetzt mit einem (Sex-)Partner glücklich sind oder mehrere als richtig erachten, ist höchstens eine Frage des maximalen Neides. Von beiden Seiten. Auf was für Unterscheidungen würdet ihr gerne verzichten?
Wir könnten vermehrt tun, was viele schon tun: Malen wir unsere Gesellschaft bunt an mit unseren Leben, bringen wir uns ein. Und treffen wir uns dann müde vom Alltag morgens um zwei zusammen in einem Club, betrinken und lieben uns. Auf dass es ein Morgen gibt. Auf dass wir am nächsten Tag bereit sind, uns Queers als grosse Gruppe zu verteidigen.