Die Cowboys des Schweizer Fotografen Hannes Schmid sind längst zu kollektivem Kulturgut geworden. Jetzt sind die Werke in der Galerie Urs Reichlin ausgestellt.
Da steht er, unumstösslich inmitten von Genderdebatten, politischer Korrektheit und Antiraucherkampagnen: der Marlboro Mann. Synonym für Freiheit und Jugenderinnerungen, Zeitzeuge einer längst verblassten Dekade. Seine herbe Maskulinität ist anziehend – obschon man kaum Haut sieht.
Der «Lonely Cowboy», den es so, wie ihn Hannes Schmid inszeniert hat, wohl gar nie gab und der deshalb auch so fasziniert. In der Galerie Urs Reichlin kann man beispielsweise diese Ikone derzeit bewundern, überlebensgross und dennoch kein bisschen furchteinflössend. Denn irgendwie ist der Cowboy vom Zürcher Hannes Schmid ja lediglich ein Statist auf einer vom Fotografen geschickt und mit enormem Aufwand inszenierten Fläche. Ergo kann man auch nur das sehen, was man will.
Erschaffung einer Ikone
Hannes Schmid hat nicht einfach fotografiert, er schuf mit seinen Arbeiten einen Teil eines kollektiven Bewusstseins. Durch die Stringenz der Sujets, bestens bekannt durch die globalen Anzeigen des Tabakmultis, hat der Zürcher Fotograf letztendlich ein Stück Kulturgut geschaffen.
Der Cowboy ist für den Betrachter letztendlich nur eine namenlose Person – aber so ästhetisch inszeniert, dass eben genau diese Inszenierung die eigentliche Kunst ist. Die Bilder sind bewusst masslos übertrieben, dramatisch kitschig, beängstigend harmonisch. Und doch oder genau deshalb lassen die Marlboro-Szenerien niemanden kalt. «Eigentlich ist es ja in diesem Nirgendwo von Amerika nicht gerade besonders schön; es ist staubig dort, eine langweilige Ödnis und erzkonservativ», stellt Steffen Urbanski fest. Und Urs Reichlin fügt an: «Es ist erstaunlich, wie viele Menschen auf ganz unterschiedlichen Ebenen von diesen Bildern angesprochen werden.»
Beim genaueren Betrachten fällt auf, dass Hannes Schmid jedes Element auf den Bildern für sich alleinstehend kraftvoll, manchmal sogar explosiv inszeniert hat. Die Reduktion auf das Wesentliche ist ein elementarer Bestandteil der Bildsprache von Hannes Schmid. Besonders eindrücklich wird das in den schwarzweissen Fotografien, denn auch diese funktionieren unglaublich gut.
Hyperrealistische Kunst
Die Bilder in der aktuellen Ausstellung sind allesamt handwerkliche Meisterwerke – die Fotografien sind in den früheren 1990er-Jahren entstanden und digitale Nachbearbeitung war noch kein grosses Thema. «Ich habe Hannes Schmid als jemanden kennengelernt, der einfach ‹wollte›. Er ist jemand, der ein Ziel vor Augen hat und versucht, dieses mit Beharrlichkeit und Kreativität zu erreichen», erklärt Urs Reichlin. Diese Energie des Fotografen ist auf all seinen Bildern zu spüren und überträgt sich auf den Betrachter.
Apropos betrachten: Gut ein Dutzend der Objekte sind «Öl auf Leinwand»-Gemälde; Hannes Schmid hat seine Fotografien quasi erweitert, er hat seine eigenen Bilder mit Farbe reproduziert und daraus mehr als nur eine Variation der ursprünglichen Fotografie erschaffen. «Das Malen hat er sich selbst beigebracht und sich in der Malerei jahrelang perfektioniert», so Urs Reichlin weiter. Das Ergebnis ist ebenso umwerfend, wenn nicht sogar noch faszinierender als die Originale, denn durch diese neue Ebene hinterfragt der Fotograf seine eigene Arbeit und zeigt damit auch verschiedene Dimensionen des Sammelbegriffes «Kunst» auf.
Gemalte Fotografie
Dass Schmid seine eigenen Fotografien malte, ist einem (un)glücklichen Zufall zu verdanken: An der Biennale in Venedig ist der Fotograf im Jahr 2003 auf eines seiner Bilder gestossen. Ein gewisser Richard Prince hatte damals die Fotos von Hannes Schmid abfotografiert und als seine eigenen Werke präsentiert. «Aneignungskunst» nennt sich das und ist – trotz oder gerade wegen der damit verbundenen Urheberrechtsstreitigkeiten – eine anerkannte Kunstform. Später erklärte Hannes Schmid, er habe der Werbeagentur die Verwertungsrechte für seine Cowboys übertragen, die Urheberrechte aber behalten. Der Schweizer Fotograf wollte verständlicherweise wissen, wie wer weshalb nun seine Fotografien nutzen dürfe und musste feststellen, dass Prince durch das Abfotografieren und leichte Verändern der Originale (Entfernung der Werbung) quasi ein autonomes Konzept geschaffen habe. Es handle sich um eine amerikanische Ikonenreihe, die von der Kunstwelt nunmehr eben Richard Prince zugerechnet werde. Hannes Schmid - und da wären wir wieder beim bereits erwähnten «Biss» des Künstlers – verzichtete darauf, sich in endlose Rechtsstreitereien zu verwickeln und schaute nach vorne. Der Cowboy-Fotograf setzte auf eigene Reproduktionskunst und rückblickend kann man sagen, dass dieser «Zwischenfall» eine Sternstunde war, denn Hannes Schmid ist es dadurch gelungen, ein zeitloses Stück Zeitgeschichte zu schaffen.
Der Fotograf Hannes Schmid
Mit seinem Cowboy-Mann hat er ein Lebensgefühl kreiert, das weltweit als Identifikationsvorlage gedient hat. Die Fotos von Hannes Schmid – der momentan in Dübendorf lebt - sind als Kunstwerke konzipiert und bleiben werbewirksam als ungewöhnliche und raffiniert inszenierte Bilder im Gedächtnis hängen. Hannes Schmid brachte zudem alle Pop- und Rockstars vor seine Kamera. Rund 250 Rockbands begleitete er zwischen 1978 bis 1984. Als Modefotograf bereitete er dem Betrachter durch atmosphärisches Flair und höchst eigenwillige Arrangements eine nachhaltige Augenlust.
Galerie Urs Reichlin: «American Myth» von Hannes Schmid bis 27. April an der Baarerstrasse 133 in Zug. Alle Infos auf www.ursreichlin.com