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«Juliet & Romeo» im Schiffbau: Die Bühne als Laufsteg

Romeo und Julia – ein Klassiker, hundert Mal gesehen. Doch was der US-Amerikaner Trajal Harrell daraus am Schauspielhaus Zürich macht, ist etwas komplett Anderes.


Von Birgit Kawohl



Schon beim Eintreten in die «Box» im «Schiffbau» merkt man den Unterschied, denn die Bühne ist nahezu leer. Lediglich zwei Löcher im Boden unterbrechen die Fläche, darauf wandernd, während die Zuschauer ihre Plätze suchen, Trajal Harrell, der es sich nicht nehmen lässt, in seiner Inszenierung eine gewichtige Rolle zu spielen, nämlich die der Amme, die trauernd – und daher fortwährend mehr oder weniger laut schluchzend – das Leben «ihrer» Julia an sich vorbeiziehen lässt.


Nach dieser gemächlichen Einstimmung – inklusive der durch die Figuren selbst vorgenommen Verteilung von Erklärungen an das Publikum - geht der Wirbel dann los, denn das (Tanz-)Stück kennt kaum Ruhe oder Pausen. Die acht Ensemblemitglieder, wohlgemerkt alle männlich, wirbeln rund 90 Minuten immer wieder wie die Derwische durch den Raum, nehmen die Bühne in allen Winkeln in Beschlag, kämpfen um Platz und vor allem um die Ihnen vom Publikum gegönnte Aufmerksamkeit. Jeder für sich und irgendwie doch alle gemeinsam.




Die Zuschauer haben Assoziationen an die TV Show "Germanys Next Topmodel" und manche warten vielleicht gar auf die meckernden Zurufe von Heidi Klum, andererseits erinnert der Tanz auch an Strassenkämpfe in der Bronx, wenn zum Beispiel Romeo und Tybalt miteinander rangeln.


So zieht das kurze Leben und Lieben Julias in rasender Geschwindigkeit, verknüpft mit den wichtigsten Episoden wie dem Ball und dem Tod, die collagenhaft nebeneinandergestellt sind, und in aller Härte vorbei. Die Schauspieler krümmen sich teilweise minutenlang im Schmerz, der fast auf die Zuschauer überzugehen scheint.



So karg die Bühne, so variantenreich sind die Kostüme. Hier spürt man Trajal Harrells enge Verbundenheit mit Design und Mode, es wird viel mit Tüchern und Kleidern gearbeitet, die immer wieder von Figur zu Figur weitergereicht werden, alles ist in einem ständigen Fluss. Und so werden die Zuschauer getragen von variantenreicher Musik zum Ende des Abends gespült, an dem sie diese aufwühlende Inszenierung mit enthusiastischem Beifall honorieren.

«Juliet & Romeo» im Schiffbau (Box). Regie: Trajal Harrell. Weitere Aufführungen fürs eben gestartete neue Jahr folgen unter www.schauspielhaus.ch

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