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Neue AHS-Kampagne: Versuch mal ein Kompliment!

Du bist nicht gut genug, nicht sexy genug, nicht erfolgreich genug. Niemandes Selbstwertgefühl ist immer on top. Oft genügt ein schräger Blick oder eine ungeschickte Bemerkung und wir fühlen uns ganz klein.


Von Florian Vock, Programmleiter Aids-Hilfe Schweiz


Das eigene Aussehen und wie man glaubt, auf andere zu wirken, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Das haben Studien in allen Ecken dieser Welt bestätigt. Nur leider haben viele keinen besonders guten Selbstwert. Nicht zuletzt, weil wir alle schon Ablehnung im eigenen Umfeld, in der Community oder in der Partnerschaft erlebt haben. Und das tut verdammt weh. Auch wenn es vom Gegenüber vielleicht gar nicht so gemeint ist.



Minderheit im Stress

Schwule und bisexuelle Männer, aber auch trans Menschen, sind besonders gefährdet, weil sie zusätzlich zu ihrem Coming-out um ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen müssen. Täglich neu. Diskriminierende und abwertende Erfahrungen schaden unserer Psyche: Auch, wenn wir sie «nur» in Zeitungen lesen oder auf Social Media Gewaltvideos anschauen müssen. Abwertung wirkt.

Und in der Schwulen-Kultur herrscht heute das Bild eines weissen, jungen, muskulösen Mannes vor. Er verkörpert das Ideal männlicher Schönheit, Stärke, Ausdauer und Gesundheit. Wir erfreuen uns an diesen Körpern – in der Pornografie, in der Werbung oder an einer Party. Wir loben Sixpacks und bejubeln den Jungbrunnen. Wir Schwulen sind sehr gut darin, alles zu hypen, was diesem «griechischen Adonis» nahekommt, ohne dass wir es je erreichen werden. Und vergessen dabei, dass Ideale zwar schön zum Anschauen sind, die Realität eine andere, eine vielfältigere ist. Zum Glück!


Gleichzeitig Täter und Opfer

Wir hecheln einem Idealtypus hinterher, der unser Eigenbild immer öde und ungenügend erscheinen lässt. Wir vermitteln und lassen uns vermitteln, dass nur glücklich und zugehörig sein kann, wer so makellos wie eine Statue ist.

Das macht Stress. Der Druck steigt und wir versuchen mit vielen lauteren und unlautern Mitteln einen idealen, schönen und perfekten Körper zu haben – erfolglos. Der Stress, den wir von Körperidealen haben und diese diskriminierenden und abwertenden Erfahrungen in der heteronormativen Welt führen zu einem tiefen Selbstwert. Wir verdrängen, dass auch die angeblich Schönsten einen Preis für ihren Traumbody zahlen. Essstörungen und Fitnesssucht nehmen bei Männern rapide zu – die Heteros lassen sich ja von uns Schwulen «inspirieren». Der Körper wird zur Kampfzone. Modellieren und definieren!

Einige kompensieren mit Drogen, Steroiden oder plastischer Chirurgie. Andere verabscheuen die schwule Welt und ziehen sich wegen erlebter Ablehnung zurück und isolieren sich selbst.



Lieb dich selbst? Fuck it.

Stopp! Denk einmal darüber nach, was dich so wirklich geil macht beim Sex nicht beim Porno-Sex? Wer hat dir das letzte Mal den Atem geraubt? Wer ist dein Kuschelbär? Was findest du an einem Typen wirklich attraktiv? Sein Lachen, sein Ohrläppchen, sein Geruch?

Ich sage dir: Wir alle beantworten diese Fragen anders, wenn wir länger darüber nachdenken. Und so, wie du hier viel, viel, viel mehr Vielfalt in deinem Träumen, Wünschen und Begehren hast, so geht es auch allen anderen.

Häufig glauben wir, dass die anderen von uns etwas Bestimmtes erwarten – obwohl wir es gar nicht wissen. Wir projizieren, was uns täglich projiziert wird. es gar nicht stimmt. Weil wir gelernt haben, dass das doch so ist. Dieses Phänomen heisst «Erwartungserwartungen»: Wir erwarten, dass das Gegenüber von uns etwas erwartet, und darum verhalten wir so. Wir glauben, alle erwarten von uns ein Sixpack – und wir verstecken den Bauch geschickt mit einem übergrossen T-Shirt, weil wir diese Erwartungen nicht enttäuschen wollen.

Eigentlich wissen wir um all den faulen Zauber. Nur glauben wir es nicht, weil diese gesellschaftlich erlernten Erwartungen so tief in uns drinsitzen. Da kann noch so viel vermeintlich fortschrittliche Werbung sagen: LIEBE DICH, WIE DU BIST! Das funktioniert nicht. Wir können uns nicht selbst lieben, weil wir glauben, dass unser Gegenüber das nicht tun kann, weil wir nicht das erfüllen, was er von uns will – Erwartungserwartungen eben.


«Unglaublich, wie super du bist!»


Mit einem ganz altmodischen Konzept kannst du aber dazu beitragen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen: das Kompliment. Wir von Dr. Gay verstehen gut, dass es dir schwerfällt, dich selbst anzunehmen, wie du bist. Geht uns genauso.

Aber mit einem Kompliment kannst du immerhin einer anderen Person zeigen, dass eben nicht nur das Sixpack von der Parfümwerbung, der gigantischen Schwanz vom Porno oder die arrogante Haltung im Club jemanden attraktiv macht.

Mach jemandem ein ernst gemeintes Kompliment. Deinem besten Freund, dem spontanen Sexdate, dem netten Herrn an der Bar – es gibt ja einen Grund, warum sie deine Freunde sind, warum du mit ihnen Sex hast, warum sie dir auffallen. Und dieser Grund ist schön: Weil sie so liebenswürdig sind. Weil sie dich so zärtlich anfassen. Weil sie so ein tolles Lächeln haben. Weil …

Komplimente verteilen kann dein realistischer und effizienter Beitrag sein gegen Bodyshaming und für mehr Selbstvertrauen unter schwulen, bi, trans und queeren Männern. Probiere es mal aus!


 

Jetzt mithelfen und Komplimente verteilen!

Auf drgay.ch/super kannst du Komplimente via Instagram oder direkt per WhatsApp verschicken. Mit jedem verteilten Kompliment wird unsere Community ein besserer Ort.

Weitere Infos zur Kampagne der AHS gibt es hier

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