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Ein Leben in Angst


Vor knapp einem Jahr flüchtete Promise aus Uganda in die Schweiz. Wäre sie dort geblieben, wäre sie zu einer lebenslänglichen Haft verurteilt worden oder hätte mit ihrem Leben bezahlt. Denn sie ist lesbisch.

In Uganda sind homosexuelle Handlungen strafbar. Lesbische und schwule Menschen werden gejagt, gefoltert und ermordet. Täglich. Diese Verbrechen werden meistens weder untersucht, noch werden die Täter_innen bestraft.

Die Homophobie in der Gesellschaft Ugandas ist unbeschreiblich. Immer wieder gibt es Hetzkampagnen gegen LGBTI. In den Zeitungen werden sie mit Namen und Foto veröffentlicht und somit für das Volk zum «Freiwild» deklariert. Familienmitglieder, Nachbar_innen, Vermieter_innen, etc. machen sich ihrerseits strafbar, wenn sie eine homosexuelle Person nicht outen, bzw. melden. Spitäler weigern sich, LGBTI zu behandeln. In psychiatrischen Kliniken werden sie gegen Homosexualität behandelt, bzw. zwangstherapiert.


​Dies zwingt die Betroffenen, ein Leben in Angst und im Versteckten zu führen, von ihren Familien verstossen und verraten. Die gängige Meinung in Uganda ist, dass Homosexuelle diese Neigung selber wählten, niemand werde homosexuell geboren– sie seien krank, schmutzig und selber schuld, dass die Gesellschaft sie verstosse.

Promise ist in Uganda aufgewachsen. Ihr Vater starb als sie ein Kleinkind war, ihre Mutter verlor sie mit neun Jahren. Promise kam als Waise in eine «Pflegefamilie», zu einem älteren Wittwer und seinen jugendlichen Söhne. Die Pflegefamilien werden weder kontrolliert noch begleitet, das Kind wird sich selber überlassen. So auch Promise, deren Alltag ab diesem Zeitpunkt aus Gewalt und Ausbeutung bestand. Der einzige Lichtblick für sie war damals ein anderes Mädchen aus der Nachbarschaft, das ein ähnliches Schicksal erlebte. Sie sahen einander regelmässig, spendeten einander Mut und waren für einander da. Als Jugendliche kamen sie sich auch körperlich näher. Anfangs kannten sie keine Bezeichnung dafür – sie wussten nur, dass es sich gut und richtig anfühlte. Eines schwarzen Tages wurden die zwei jungen Frauen entdeckt. Nach viel Brutalität wurde Promise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. In Uganda werden Homosexuelle in der Klinik «geheilt». Ihre Freundin sah Promise nie wieder und weiss bis heute nicht, was mit ihr geschehen ist. Vermutlich wurde sie, wie so viele andere LGBTI, auf irgendeine passende Weise «entsorgt».

Nach dem Klinikaufenthalt schaltete sich die Familie von Promise ein: Um die Ehre von Promise und die der Familie zu retten, wurde sie mit einem Mann verheiratet. Mit dieser Zwangsehe begann ein neuer Abschnitt, der aber keinesfalls glücklicher war. Sie wurde Mutter von Zwillingsmädchen und lebte sechs Jahre mit dem Mann.

Eines Tages sah sie eine LGBTI-Aktivistin im TV. Sofort fühlte sie sich mit der Frau und der Thematik verbunden. Im Geheimen nahm sie Kontakt mit ihr auf und vereinbarte ein Treffen. Im Gespräch mit der Frau fühlte sie sich das erste Mal in ihrem Leben verstanden. Für Promise war dies weltbewegend, ein Schlüsselerlebnis. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie kein abnormales, krankes Wesen war, sondern dass ihre Gefühle ehrlich und begründet waren, dass es um Liebe ging.

Promise verliebte sich, die beiden wurden ein Paar. Einige Monate ging alles gut – Promise war im Versteckten glücklich. Bis sie von ihrem Mann entdeckt wurden. Sofort informierte er die Familie von Promise. Diese war zutiefst überrascht, da Promise ihrer Meinung nach in der Klinik geheilt worden war. Sie musste das Haus verlassen, die Zwillinge durfte sie nicht mehr sehen. Nach der Meinung ihres Mannes hätte sie sie die Kinder anstecken können und diese wiederum andere Kinder in ihrem Umfeld.

Danach wurde das Leben zur Hölle. In ständiger Angst, entdeckt und geoutet zu werden, flüchteten Promise und ihre Partnerin von einem Ort zum nächsten, lebten im Untergrund. Diese verzweifelte Situation dauerte mehrere Jahre. Bis ihre Partnerin mit Hilfe der LGBTI-Organisation einen Weg fand, dass Promise in die Schweiz einreisen konnte. Ihre Partnerin liess sie auf deren eigenen Wunsch in Uganda zurück. Sie blieb um zu kämpfen. Mit der Vision und der Hoffnung, dass LGBTI - Menschen in Uganda eines Tages ein normales Leben werden leben können.

Am Tag an dem Promise das Land verliess, wurde ihr Name und Foto in der Zeitung veröffentlicht. Jemand hatte sie gemeldet.

Wäre sie dort geblieben, wäre sie zu einer lebenslänglichen Haft verurteilt worden oder hätte mit ihrem Leben bezahlt. Denn sie ist lesbisch.

Text: Vroni Eschler – Co-Präsidentin LOS.

Lesbenorganisation Schweiz LOS, Monbijoustrasse 73, 3007 Bern - www.los.ch

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