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Buchtipp: Ein Gefangener der Schuld


Während es mittlerweile Dutzende schwule Romane gibt, ist das Thema schwul als Muslim in der Literatur noch stark unterrepräsentiert. Saleem Haddad packt mit seinem Roman «Guapa» ein heisses Eisen an.

Der hierzulande noch unbekannte Saleem Haddad (*1983) ist so etwas wie ein Weltbürger. Als Sohn einer irakisch-deutschen Mutter und eines libanesisch-palästinensischen Vaters verbrachte er seine Kindheit und Jugend in Jordanien, Kanada und Großbritannien. Mittlerweile arbeitet er für Ärzte ohne Grenzen vor allem im Nahen Osten. Insofern ist er sicherlich prädestiniert, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das heutzutage im arabischen Raum ein ganz wichtiges ist: Wie gehe ich als Muslim damit um, schwul zu sein?

Rasa, ein 27-jähriger Araber, der in einem nicht näher benannten Land des Nahen Ostens als Übersetzer arbeitet, merkt schon als Kind, dass er irgendwie anders ist als die anderen Jungs in seiner Umgebung. Die Situation ist in einer Kultur, in der Schwulsein immer noch sanktioniert und verachtet wird, sowieso schon schwierig. Für Rasa wird alles aber noch schlimmer, als zunächst seine Mutter verschwindet und ca. ein Jahr später sein Vater an Krebs stirbt. Da ist er zwölf und wird fortan von seiner allseits präsenten Teta (Grossmutter) aufgezogen, die sehr strenge Regeln an alle Formen von Schicklichkeit und Anstand anlegt. Eib (Schande) wird für ihn zum Marker allen Tuns. Und dass Homosexualität eib ist, ist ihm sofort klar. Sein Körper wird für ihn zum Gefängnis, die verbotenen, schwulen Gedanken dürfen nicht nach aussen dringen.

In der Hoffnung, die Freiheit zu finden, geht er für sein Studium in die USA, doch da passiert etwas, das ihn zu einer anderen Art von Aussenseiter stempelt: 9-11. Jetzt ist er in der Freiheit und steckt doch in einem – politisch-ideologischen – Gefängnis aus Vorurteilen. Rasa ist hin- und hergerissen zwischen seiner Herkunft und seiner Sexualität. Als er dann nach seiner Rückkehr – er wohnt wiederum bei seiner Grossmutter – die Liebe seines Lebens trifft, scheint sich vieles für ihn zu ändern.

Verwoben mit diesen privaten Dramen des Protagonisten, der alles aus der Ich-Perspektive schildert, sind die Ereignisse, die wir zumeist unter dem Begriff «Arabischer Frühling» zusammenfassen. Die jungen Araber versuchen eine Befreiung und stossen immer wieder an die Grenzen der Systeme, sei es die Politik oder die Religion. Hier stellt sich beim Leser die Frage, warum der Autor seine Handlung in einem fiktiven Land ansiedelt. Dies nimmt diesem natürlich die Schwierigkeit, die Ereignisse ganz genau recherchieren und akkurat wiedergeben zu müssen. Andererseits bekommt die Geschichte von Rasa damit auch etwas Allgemeingültiges, könnte sie doch in eigentlich jedem muslimisch geprägten Land passiert sein. Dem Leser wird damit auf jeden Fall ein quasi hautnaher Einblick in eine vom Islam bestimmte Kultur gewährt, den man so nur selten erhält.

Haddad ist mit «Guapa» ein spannender, gut geschriebener Roman gelungen, der uns ein wenig die Augen öffnet für das Dilemma, in dem auch bei uns viele Muslime stecken.

Saleem Haddad: Guapa. Albino Verlag. ISBN 9783959850841. SFr. 23,90.


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