Seit 2007 gibt es für gleichgeschlechtliche Paare den Zivilstand der eingetragenen Partnerschaft. Er kommt einer Ehe sehr nahe, weist aber immer noch gewisse Unterschiede auf. Über die Folgen hinsichtlich Vorsorge, Erbe und Steuern sprechen Nadja Herz, Rechtsanwältin und Vertrauensanwältin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS), und Rolf Häusler, Finanzplaner der Zürcher Kantonalbank.
Frau Herz, Sie engagieren sich seit mehr als 30 Jahren für die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare. Welche Meilensteine gab es aus Ihrer Sicht in dieser Zeit?
Nadja Herz: Ein Meilenstein war sicher die Abstimmung im Kanton Zürich im Jahr 2003 über ein kantonales Partnerschaftsgesetz. Weltweit zum ersten Mal äusserte sich die Bevölkerung an der Urne zum Thema «Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare». Das Ja zur Vorlage war ein wichtiger Gradmesser für die gesellschaftliche Akzeptanz der LGBT-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) und bereitete den Weg für die Einführung der eingetragenen Partnerschaft auf nationaler Ebene 2007. Seit Anfang 2018 ist nun neu die Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Erste Erfahrungen zeigen, dass das Adoptionsverfahren aufwendig und oft belastend ist. Unser Ziel bleibt daher die originäre Elternschaft: die gemeinsame Elternschaft gleich ab Geburt des gemeinsam geplanten Kindes – wie bei heterosexuellen Paaren.
Wie gut kennen gleichgeschlechtliche Paare ihre Möglichkeiten und Rechte betreffend einer eingetragenen Partnerschaft?
Rolf Häusler: Das Gesetz zur eingetragenen Partnerschaft ist verhältnismässig neu. Ich stelle aber fest, dass ein grosser Teil der schwulen und lesbischen Paare die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft kennt. Die detaillierten Auswirkungen sind jedoch nicht allen geläufig. Gleiches gilt für gleichgeschlechtliche Paare, welche im Konkubinat leben. Sie verfügen über viele Möglichkeiten zur gegenseitigen Absicherung, sind sich deren aber nicht immer bewusst. Dazu gehören zum Beispiel die Begünstigungsregelung bei den Pensionskassen und der Säule 3a sowie die Patientenverfügung oder der Vorsorgeauftrag.
N. H.: Aus meiner Erfahrung wissen LGBT-Klienten besser Bescheid über die eingetragene Partnerschaft als über das Konkubinat. Gerade beim Konkubinat wäre es aber wichtig zu wissen, was man aus Eigeninitiative wie regeln kann, denn es ist keine Rechtsform mit klaren Rechtswirkungen. Bei der eingetragenen Partnerschaft hingegen ist vieles automatisch durch das Gesetz geregelt. Hinsichtlich der Details haben sich aber auch in meinen Beratungen viele Wissenslücken gezeigt, vor allem im Erbrecht und bei den Sozialversicherungen. Interessant ist jedoch: Gleichgeschlechtliche Paare sind tendenziell besser über die Zivilstände informiert als heterosexuelle. Sie sind sich bewusst, dass ihre rechtliche Situation nicht durchgängig adäquat und gut geregelt ist, und machen sich deshalb mehr Gedanken dazu.
Lohnt es sich denn, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen?
R. H.: Das kommt auf die Wünsche und Ziele des Paares an. Einerseits gibt es die emotionale Seite: Für gewisse Paare steht die gesellschaftliche Akzeptanz an oberster Stelle.
Sie möchten «heiraten» und damit ein Zeichen für sich selbst und gegen aussen setzen. Andererseits gibt es rechtliche und monetäre Gründe. So hat zum Beispiel bei grösseren Vermögen die eingetragene Partnerschaft den Vorteil, dass bei Schenkungen und Erbschaften keine Steuern erhoben werden – analog der Ehe. Im Konkubinat können hier je nach Kanton bis zu 36 Prozent anfallen. Auch beim gemeinsamen Kauf von Wohneigentum ist die eingetragene Partnerschaft zu prüfen. Wenn ein im Konkubinat lebendes Paar sich gegenseitig seinen Anteil an der Liegenschaft nach dem Ableben vermacht, fallen je nach Kanton sehr hohe Erbschaftssteuern an. Hinzu kommt, dass im Konkubinat lebende Partner nicht als Alleinerbe eingesetzt werden können.
Wie sieht es bei den Sozialleistungen und Steuern aus?
R. H.: Hier ist das Bild geteilt. Die maximalen AHV-Renten sind für Paare bei einer eingetragenen Partnerschaft kleiner als im Konkubinat: 42’300 Franken im Vergleich zu 56’400 Franken. Die Situation bei der Pensionskasse muss im Einzelfall geprüft werden, da die rund 1’700 Pensionskassen der Schweiz ihre Leistungen sehr unterschiedlich ausgestalten. Steuerlich gelten bei einer eingetragenen Partnerschaft die gleichen Bestimmungen wie in einer Ehe: Die Familienbesteuerung kommt zur Anwendung, was je nach Einkommensverteilung in der Partnerschaft vorteilhaft oder aber auch nachteilig sein kann.
Lebensmodelle diskutieren
Stehen für Sie emotionale oder monetäre Aspekte im Vordergrund? Wie wichtig ist Ihnen die gegenseitige Absicherung? Möchten Sie eine Familie gründen? Für alle Paare ist es empfehlenswert, diese Fragen zu beantworten. Je nachdem fällt dann die Entscheidung für einen Zivilstand anders aus.
Einnahmen, Ausgaben und Vermögen
Machen Sie eine Auslegeordnung der Einnahmen, Ausgaben und Vermögen beider Partner, um die Fakten klar vor sich zu sehen. Das dient als Basis dafür, gemeinsam die rechtlichen Regelungen des Zusammenlebens zu definieren und die adäquaten Vorsorgeinstrumente zu evaluieren.
Situation Pensionskasse klären
Welche Leistungen sieht Ihre Pensionskasse für Paare in eingetragener Partnerschaft oder Konkubinatspartner vor? Studieren Sie das Pensionskassenreglement oder machen Sie mit einem Finanzplaner einen Termin aus, um abzuklären, wie Ihre individuelle Situation im Falle einer Eintragung aussieht.
Richtigen Ansprechpartner finden
Es lohnt sich, wenn Sie sich in finanziellen Fragen an einen Spezialisten wenden, der mit der rechtlichen Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren eingehend vertraut ist.
Das Bundesamt für Statistik weist in der Bevölkerungsstatistik 2016 aus: «Nach wie vor gehen mehr Männer- als Frauenpaare eine eingetragene Partnerschaft ein (67 % bzw. 33 %).» Was sind die Gründe für den markanten Unterschied?
N. H.: Ich sehe mehrere Gründe, die dazu führen: Frauen gehen erstens weniger binationale Partnerschaften als Männer ein. Zweitens haben sie tendenziell weniger Geld zur Verfügung, daher kommt die Absicherungsfunktion weniger zum Tragen. Oft ist es auch so, dass lesbische Partnerinnen ähnlich viel verdienen und durch die eingetragene Partnerschaft in eine höhere Steuerprogression gelangen – also auch kein Vorteil. Familiengründung ist ebenfalls kein zwingender Grund, weil die Stiefkindadoption auch in einem Konkubinat möglich ist. Und nicht zuletzt sind vor allem ältere Lesben als Feministinnen sozialisiert worden und der Ehe gegenüber skeptisch.
Wie sinnvoll ist es überhaupt, spezifisch diese Zielgruppe anzusprechen?
N. H.: Solange die Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Situation heterosexueller und LGBT-Paare bestehen, halte ich Spezialistinnen und Spezialisten für LGBT-Themen für notwendig und sinnvoll. Mir fällt jedoch auf, dass solche Angebote sehr oft mit Bildern von homosexuellen Männern kommuniziert werden. Es wäre wünschenswert, dass vermehrt auch lesbische Frauen und Paare direkt angesprochen würden.
Rechtsanwältin
Nadja Herz ist auf Bau- und Immobilienrecht sowie die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare spezialisiert. Seit 1989 ist sie Vertrauensanwältin der Lesbenorganisation Schweiz und seit 1994 Mitglied der Koordinationsgruppe Politik der Schweizer LGBT-Verbände.
Ihr Tipp: Konsultieren Sie Expertinnen oder Experten, wenn Sie Ihre Partnerschaft optimal absichern, eine Familie gründen oder gemeinsam Wohneigentum kaufen wollen.
Kundenberater
Rolf Häusler ist Finanzplaner der Zürcher Kantonalbank. Er verfügt über eine langjährige Beratungserfahrung im Finanzwesen.
rolf.haeusler@zkb.ch
Sein Tipp: Eine individuelle und umsichtige Planung der angesprochenen Themen ist essenziell – frei nach dem Zitat von Dwight D. Eisenhower: «Pläne sind nichts. Planung ist alles.»
Nächster «Fachtalk LGBT» der Zürcher Kantonalbank - 22. Januar 2019
Die Spezialisten der Zürcher Kantonalbank erörtern die wichtigsten rechtlichen und finanziellen Fragen, die sich gleichgeschlechtliche Paare stellen sollten. Melden Sie sich jetzt für den nächsten Fachtalk an und stellen Sie Ihre Fragen unseren Experten. Anmeldung
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