Diana Ross ist 75 geworden… und nichts haut sie um
In unserer losen Serie stellen wir Ikonen aus vergangenen Dekaden vor, berichten über gefallene Helden und hoffnungsvolle Skandalsternchen aus längst vergangenen (Gay-)Tagen. Dieses Mal: Diana Ross.
Diana Ross zählt zusammen mit Whitney Houston und Tina Turner zu den grossen Damen im Soul und R&B. Turner und Houston haben es immer wieder geschafft, die Hitparaden anzuführen. Diana Ross nicht so ganz.
Bei «Damen» sind die «Dramen» im Fall Diana Ross inkludiert. Nach ihrer glänzenden Zeit der 70er- und 80er-Jahre flaute die Gesangskarriere etwas ab. Das hält die primär aus der LGBT*-Szene stammenden Fans (und Ross selbst) aber nicht davon ab, die Diva hochleben zu lassen.
2019: Diana Ross feiert Geburi. Immer wieder und wieder…
Mit graziös gespreizten Armen schwebte die Sängerin vor das Publikum und stimmte ein Medley ihrer bekanntesten Titel an. 75 Jahre alt wurde Diana Ross und zeigte bei mehreren «Anniversary»-Auftritten eindrücklich, was grosses Drama auf der Bühne ist. Dazu gehörte auch ihr Auftritt bei den Grammy Awards Anfang Jahr. Ihr vielleicht jüngster Fan bei besagten Grammys: Ihr Enkelsohn Raif-Henok Emmanuel Kendrick, der seine «Grandmommy» bei der Gala ankündigen durfte und als «wundervoll» beschrieb. «Junge Menschen wie ich können wegen ihrer Unabhängigkeit, ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Willen, sie selbst zu sein, zu ihr aufblicken», sagte der Neunjährige. Sie hat der Welt gezeigt, dass nichts ausserhalb unserer Reichweite ist.»
«Ain't No Mountain High Enough» heisst auch die Hit-Single von 1970, mit der für Ross ein Jahrzehnt an der Spitze der Charts einsetzte. «Love Hangover» und «Upside Down» waren unter den Publikumslieblingen, auch ihr Duett «Endless Love» mit Lionel Richie. Auf der Kinoleinwand begeisterte sie in der Rolle von Billie Holiday in «Lady Sings the Blues» sowie in «Mahagoni» und «The Wiz - Das zauberhafte Land». Die ehemalige Leadsängerin der Supremes war Anfang der 1980er-Jahre endgültig zur Diva gereift.
Keine Charterfolge mehr
Geboren wurde die Soulsängerin in Detroit. Dort hatte auch das Motown-Label seinen Sitz, das über die Jahre mit Marvin Gaye, Stevie Wonder und den Temptations einen eigenen Sound entwickelte. Schon im Teenageralter fand Ross sich mit drei jungen Frauen zusammen, deren Gruppe The Primettes sich später in das Trio The Supremes verwandelte. Nach dem Plattenvertrag bei Motown folgte 1964 der erste Hit «Where Did Our Love Go?».
Dass Ross dem Label Motown nach mehr als 20 Jahren den Rücken kehrte und den Wechsel zum Label RCA wagte, wurde prompt mit dem Erfolgsalbum «Why Do Fools Fall In Love» belohnt. Auch die Platte «Silk Electric», deren Single «Muscles» der aufstrebende Popstar Michael Jackson geschrieben hatte, verkaufte sich hervorragend. Gegen Ende der 1980er-Jahre hatte Ross aber zunehmend Schwierigkeiten, ihre Alben abzusetzen, und versuchte, mit einer Rückkehr zu Motown und einem Fokus auf Pop-Standards und Disco-Hits gegenzusteuern.
Auch der Versuch, die goldenen Supremes-Zeiten wiederzubeleben, ging eher nach hinten los. Bei der «Gift of Love»-Tour wurden die Supremes nämlich beworben, ihre beiden alten Weggefährtinnen Mary Wilson und Cindy Birdsong wurden aber durch andere Sängerinnen ersetzt. In den Charts war Ross nicht mehr vertreten. Bei Konzerten lockte sie aber weiter grosse Scharen von Fans an - ihr musikalisches Vermächtnis hatte die Soul-Diva zementiert. Der Sonder-Grammy für ihr Lebenswerk 2012 galt wohl auch dem Umstand, dass Ross den Musikpreis trotz zwölf Nominierungen niemals regulär gewonnen hatte.
Ross & Jackson: Ein weiteres Drama
In der kürzlich erschienenen HBO-Dokumentation «Leaving Neverland» wird der 2009 verstorbene Sänger von den beiden Männern Wade Robson (36) und James Safechuck (40) beschuldigt, diese als Kinder missbraucht zu haben – Cruiser berichtete in der letzten Ausgabe ausführlich darüber. Bekanntlicherweise war Diana Ross die Ersatzmutti von Michael (sie bezeichnete sich lieber als «grosse Schwester») und daher äusserte sich die Diva nun endlich auch zur Causa Jackson. Auf Twitter schrieb Ross dazu: «Das ist es, was heute Morgen auf meinem Herzen lastet. Ich glaube und vertraue darauf, dass Michael Jackson eine wunderbare, unglaubliche Kraft für mich und viele andere war und ist». Anschliessend forderte sie mit einer ihrer berühmten Song-Zeilen: «Stop In the name of love». Nun ja. Fact ist, dass Dianas Mythos irgendwie von Michael Jackson Strahlkraft lebte – und da sind jetzt einige Schlirgge in dieser Aura, mal etwas unglamourös und Berndeutsch ausgedrückt. Das scheint sie aber nicht so sehr zu kümmern, sie werkelt direkt und indirekt an ihrem Status als Diva: So tat Diana Ross bei der Grammy-Gala im Februar dann auch, was sich im Grunde nur eine Diana Ross erlauben darf: Sie feierte ihren Geburtstag gut sechs Wochen im Voraus vor 20 Millionen TV-Zuschauern und gratulierte sich selbst mit den Worten: «Happy Birthday to me!» Da war es auch nicht so wichtig, dass nicht alle im Publikum den Liedtext zu «The Best Years Of My Life» kannten, als Ross mit dem Mikrofon durch die Menge schritt. Und jetzt, im Mai feiert sie auch immer mal wieder – aber natürlich nicht an irgendwelchen Hundsverlocheten, sondern stilvoll. Ach ja: Originalgeburtstag von Diana Ross wäre am 26. März gewesen.