Nicht erst seit heute wissen wir, dass Coming-outs keine einfache Sache sind und es danach auch nicht immer besser wird. Thesing will Betroffenen Mut machen.
Von Birgit Kawohl
«You don’t look gay» ist im Rahmen der Bachelor-Arbeit von Julius Thesing (* 1990) an der School of Design im deutschen Münster entstanden. Schnell mag man denken: Wieder einmal also ein Buch über die Probleme von Homosexuellen bzw. von Mitgliedern der LGBT*-Community. Trotzdem bekommen die Leser einiges Neues zu altbekannten Aspekten geboten, angefangen beim meist schwierigen Coming-out, das, wie Thesing feststellt, statistisch gesehen erst rund drei bis vier Jahre nach der eigentlichen Erkenntnis des Schwulseins erfolgt. Diese Zahl alleine macht deutlich, dass es für die Betroffenen immer noch kein einfacher Schritt ist, zu ihrer Sexualität zu stehen, womit im Prinzip schon die Berechtigung für dieses Buch geliefert wird.
Insgesamt findet man eine gelungene Mischung aus persönlichen Erlebnissen und Empfindungen, bei denen der Autor freimütig Einblick in sein eigenes Seelenleben gewährt, dazu kommen aber auch spannende Zitate und weitere Fakten, die den Horizont weit über das Private hinaus öffnen. Gestalterisch werden die relativ kurzen Textpassagen von eindrücklichen und kreativen Zeichnungen Thesings untermalt.
Thesing selbst hat sich, bevor es zur Veröffentlichung kam, die Frage gestellt, ob er sich als Schwuler überhaupt beschweren dürfe: «Immer wieder frage ich mich selbst, ob ich das Recht dazu habe, von Diskriminierungen zu sprechen, wenn es doch viel schlimmere, brutalere Erfahrungsberichte gibt.» Dies ist sicherlich eine Frage, die sich viele queere Menschen stellen, denn: eigentlich geht es uns in Mitteleuropa doch gut, keiner wird wegen seiner Sexualität hingerichtet, nach und nach (immerhin) gibt es gleiche Rechte für hetero- und homosexuelle Paare ... Und trotzdem, die alltäglichen Diskriminierungen – seien es kurze Ausrufe wie «Schwuchtel», wenn ein Junge nicht Fussballspielen kann, oder unbedachte Fragen wie «Wer ist denn bei euch die Frau?» - zeigen, dass queere Lieben und Leben noch längst nicht überall und für alle eine Selbstverständlichkeit sind. Genau auf solche Aspekte weist Thesing hin und macht damit deutlich, dass man als Betroffen*r nicht so alleine mit den eigenen Ängsten und Schwierigkeiten ist, wie man manchmal das Gefühl hat.
Im Interview mit dem Cruiser beantwortet Julius Thesing einige Fragen, die sich uns beim Lesen stellten.
Cruiser: Das Buch enthält ja relativ wenig, gross gedruckten Text, der Inhalt ist aber – auch wegen der enthaltenen Zitate, die man einordnen können muss – doch an einigen Stellen recht komplex. Welchen Adressatenkreis, insbesondere welches Alter möchtest Du ansprechen?
Thesing: Darüber habe ich während des Lesens, ehrlich gesagt, kaum nachgedacht. Dadurch, dass die Texte grösstenteils sehr persönlich geworden sind, hoffe ich, dass sich viele damit identifizieren können und zumindest ein Verständnis für manche Themen entwickeln. Ich möchte die Leser*innen daher gar nicht auf eine Altersstufe beschränken.
Das ganze Interview gibt es hier gratis zum nachlesen
Julius Thesing
You don’t look gay
Ab 12 Jahren / 96 S. / 16 x 22 cm / vollfarbig Flexocover mit rosa Papier ISBN 978-3-95939-094-1
€ (D) 14,95 € (A) 15,40 SFr 21,00*
Bestell-Nr.: 888 094
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